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Der Türöffner

Die Eintracht und die Frankfurter Banken – das war jahrzehntelang alles andere als eine Liebesbeziehung. Seit Axel Hellmann in der Fußball AG die Strippen zieht, profitieren beide Seiten voneinander.

Es gibt eine Geschichte, die man sich in Frankfurt erzählt. Sie handelt von Axel Hellmann und von Josef Ackermann. Als Ackermann noch Chef der Deutschen Bank war, hatte er mit dem heutigen Vorstandssprecher der Eintracht einen Termin. Ackermann sei nett gewesen, an der Eintracht interessiert, habe sogar viel Lob verteilt, heißt es. Doch Sponsor oder Partner der Eintracht, schränkte Ackermann am Ende des Gesprächs ein, wolle man dann doch nicht werden. Schließlich sei die Bank ein Weltkonzern und die Eintracht nur ein lokaler Sportverein, zu klein, zu unbedeutend.

Axel Hellmann erinnert sich an das Gespräch. Überrascht, sagt der 53 Jahre alte Jurist heute, habe ihn die Abfuhr nicht. Ein Dorn im Auge sei sie ihm dennoch gewesen. Hellmann war jahrelang in leitender Funktion beim Hauptverein Eintracht tätig, als er im Juni 2012 in den Vorstand der Fußball AG aufrückte. Damals war der Klub gerade wieder in die Erste Bundesliga aufgestiegen und bei der Frankfurter Wirtschaft, vor allem bei den Banken, nicht sonderlich angesehen. Ja, es gab vereinzelt Finanzinstitute im Sponsorenkreis des Klubs, und ja, der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport wurde, als es dem Klub nicht gut ging, Hauptsponsor. Doch noch bis nach der Jahrtausendwende galt die Eintracht vor allem in den Vorstandsetagen der hiesigen Großbanken eher als Außenseiter denn als ernsthafter Partner. Kein Wunder, dass ein Drittel der finanziell wichtigen VIP-Logen im Waldstadion leer blieben und für lukrative Sponsorendeals kaum jemand zu haben war.

Die Gründe für die kalte Schulter, so erzählte es der Eintracht-Vorstandssprecher Hellmann neulich vor Wirtschaftsjournalisten in Frankfurt, bekamen Eintracht-Verantwortliche im Mai 2016 präsentiert, kurz nachdem die Fußballer knapp in der Relegation den Verbleib in der Bundesliga gesichert hatten. Während das bei der Eintracht viele als Erfolg verbuchten, trug Mainova-Chef Constantin Alsheimer, Chef eines Konzerns mit zwei Milliarden Euro Umsatz, in kleiner Runde Kritik gegenüber dem Fußballklub vor, kurz und schmerzhaft: zu wenig Ambitionen, zu wenig Haltung, zu wenig Leistung. „Es war eine Standpauke“, erinnert sich Hellmann – und eine Bestätigung seiner eigenen Überzeugung, dass der Klub das Potential von Stadt und Region nicht nutze.

Hellmann verordnete dem Klub danach einen neuen Selbstanspruch, sportlich und geschäftspolitisch. Jahrelang sei man bei der Eintracht mit dem Nichtabstieg zufrieden gewesen, erinnert er sich heute. Und jahrelang habe man akzeptiert, dass sich die Türen in Unternehmen geschlossen hätten, wenn die Eintracht angeklopft habe. In einem Interview mit der F.A.Z. sagte er damals, er sei „der festen Überzeugung, dass Eintracht Frankfurt in viel stärkerem Maße Partner des Finanzplatzes Frankfurt werden“ müsse. Hellmann wollte die Möglichkeiten des Finanzplatzes für seinen Klub nutzen – und die Kraft, die er in seiner Eintracht sah, für den Finanzplatz.

Seitdem hat es Axel Hellmann in gut einem Jahrzehnt geschafft, die Eintracht fest am Finanzplatz zu verankern, mit Überzeugungs- und Tatkraft, mit Mut und unbedingtem Willen, aber eben auch mit dem, was Alsheimer bei der Eintracht vermisste: Ambition, Haltung, Leistung. Mit seinem Amtsantritt im AG-Vorstand begann Hellmann, den Verein umzukrempeln, neue Strukturen zu schaffen, Ziele zu definieren, sportlich und geschäftlich. „Es waren viele kleine Schritte“, sagt er heute.

Einer der wichtigsten: Hellmann begann, die Banken der Stadt abzuklappern. Die Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance öffnete ihm dabei jene Türen, die bis dahin verschlossen geblieben waren. „Wir tourten wie Wanderprediger von einer Bank zur nächsten“, erinnert sich Hellmann. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Initiative, Hubertus Väth, leistete er nicht nur Überzeugungsarbeit zugunsten der Fußballer. Der Familienvater machte den Managern auch klar, dass der Finanzplatz umgekehrt von der Eintracht profitieren könne.

Schließlich hatten die Banken nach der weltweiten Finanzkrise 2008 ein Vertrauensproblem, ihnen fehlten Glaubwürdigkeit und Verwurzelung in der breiten Gesellschaft. Hellmann verstand, dass es kaum etwas gibt, das eine Region wie Rhein-Main derart emotional zu verbinden vermag, wie die Eintracht und der Fußball. Lange bevor europäische Spitzenteams zu Pflichtspielen nach Frankfurt reisten, veranstaltete der Klub daher in den Jahren 2013 bis 2015 mit Frankfurt Main Finance einen Mini-Wettbewerb, zu dem unter anderem Inter Mailand nach Frankfurt kam und eine ganze Familie für zehn Euro ins Stadion gelangen konnte. Hubertus Väth, damals wie heute Geschäftsführer der Finanzplatz-Initiative, erinnert sich, es sei klar geworden, „dass die Eintracht dem Bankenstandort viel zu bieten hat“. Was für die Geldhäuser ein Bekenntnis zur Region war, war für den Klub eine Annäherung an die finanzstarken Institute.

Als 2016 die Bürger Großbritanniens entschieden, die Europäische Union verlassen zu wollen, spielte die Eintracht auf dem Weg, die Europazentralen von internationalen Banken aus London nach Frankfurt zu lotsen, eine nicht unwesentliche Rolle. Nach dem überraschenden DFB-Pokalsieg 2018, dem ersten Titel nach dreißig Jahren, spielte das Team in der folgenden Europa-League-Saison nicht nur begeisternden Fußball, sondern fuhr auch zum Halbfinale gegen Chelsea nach London, also in jene Stadt, aus der man in Frankfurt Banker für den eigenen Standort gewinnen wollte. „Wir haben das als Chance erkannt und genutzt und zahlreiche Entscheider internationaler Banken mit Sitz in London zu den Spielen eingeladen“, sagt Väth. Auch bei den folgenden Europapokal-Partien gegen die Londoner Klubs Arsenal im Herbst 2019 und West Ham im Frühjahr 2022 saßen Bankmanager in den Arenen und näherten sich dort dem Standort Frankfurt an.

So wurden die Eintracht und speziell Axel Hellmann zum Türöffner für die Anbahnung von Kontakten. Gerade für Finanzinstitute aus Japan seien Spiele mit dem damaligen Eintracht-Profi Makoto Hasebe, der einst Kapitän der japanischen Nationalmannschaft gewesen war, in London ein unvergessliches Highlight gewesen, so Väth, der zudem erklärt, warum die Eintracht längst zum Standortfaktor für die Finanzmetropole geworden ist: Man müsse schließlich in Frankfurt den Mitarbeitern internationaler Banken und ihren Familien etwas bieten. Guten Fußball zum Beispiel.

Vorstandssprecher Hellmann, dessen Vertrag bei der Eintracht bis 2027 läuft, hat die Eintracht in den Finanzhäusern als Partner auf Augenhöhe etabliert, auch, weil er als Experte für Corporate Finance und Sohn zwei Banker die Branche versteht. Inzwischen stammen mehr als 500 Partner des Klubs vom Finanzplatz, es sind Banken, Kanzleien, Wirtschaftsprüfer, die im Stadion ein- und ausgehen. „Sie sind unser wirtschaftliches Rückgrat“, sagt Hellmann, der auch hervorhebt, dass er das ohne Hilfe nicht geschafft hätte, zum Beispiel von der Familie Metzler. Nachdem die Eintracht seit Mitte der Achtzigerjahre zwanzig Jahre lang Kredit bei den Banken verspielt hatte, hatte die Familie Metzler „einen riesigen Anteil daran, dass uns wieder Vertrauen geschenkt wurde“, wie Hellmann sagt. Er erinnert sich an Abende im Privathaus der Familie, an denen die Metzlers mit Hellmann Kontakte knüpften.

Und Hellmann nutzte sie, weil er fertige Konzepte vorlegen und Visionen aufzeigen konnte. Zum Beispiel für eine eigene Digitaltochter, die mit Partnern neue Geschäftsmodelle entwickelt; für den Betrieb des Stadions, den die Eintracht 2020 übernommen hat; für den Bau der Geschäftsstelle direkt nebenan.

Doch es gab auch Rückschläge. Immer wieder brachten Fan-Ausschreitungen der Eintracht Geldstrafen, Teilausschlüsse von Zuschauern und Hellmann den Vorwurf ein, sich nicht klar genug dagegen zu positionieren. Hellmann weiß, dass der Grat schmal ist und auch Sponsoren einen Blick auf die Entwicklung in der Kurve haben – und setzt weiter auf engen Dialog mit den Fans.

Auf dem Weg zu mehr Anerkennung bei den Konzernen haben der DFB-Pokalsieg 2018 und der Erfolg im Europapokal 2022 sowie die damit zusammenhängende Begeisterung in der Stadt natürlich geholfen, sie haben die Eintracht in neue Sphären gebracht. So hat der Klub seine Mitgliederzahl seit 2012 fast verzehnfacht, auf heute 145.000. Seit der Relegation 2016 hat sich der Kaderwert von 70 bis 80 auf rund 300 Millionen Euro vervierfacht; die Eintracht hat sich im Ranking der wertvollsten Vereine Europas auf Rang 18 vorgearbeitet, ist mit einem Wert von 685 Millionen Euro die Nummer drei in Deutschland; und in den vergangenen zehn Jahren hat sich der Umsatz verdreifacht, von rund 100 Millionen 2015 auf zuletzt etwa 310 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2022/23.

Skandale sind Vergangenheit, vielmehr gehört es zum Wesenskern des von Hellmann geführten Klubs, mehr zu sein als ein Fußballverein. Wenn der Manager die Seele des Klubs beschreibt, dann zeichnet er das Bild einer Eintracht als gesellschaftlicher Institution, die auf der Bandbreite zwischen traditioneller Wertegemeinschaft und Hochleistungsbetrieb eine Klammer bilden muss, um Menschen ganz unterschiedlicher Milieus mitzunehmen. Von der Fankurve bis zu den VIP-Logen, von den treuen Auswärtsfahrern zu den Fernsehzuschauern, es geht um ein emotionales Band, das Verein, Fans und Umfeld verbindet. Der Sport, so Hellmann, diene nicht sich selbst, sondern bestimmten Werten: dem Kampf gegen Diskriminierung, dem friedlichen Zusammenleben der Menschen, dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus.

Diese Haltung macht in Vorstandsetagen Eindruck, die Eintracht in ihrer gesellschaftlichen Breite und ihrer schieren Größe wird in der Region ernst genommen und gehört. Die Unternehmen stehen heute Schlange, um Partner zu werden, die Warteliste für einen Platz im Business-Bereich soll rund 3000 Personen und Unternehmen umfassen. Hellmann nutzt die gesellschaftliche Wahrnehmung des Klubs über das reine Fußballspiel hinaus klug aus, spricht hier auf einem Immobilienkongress, dort beim Marketingclub, er ist Mitglied in der IHK-Vollversammlung und im Vorstand der Wirtschaftsinitiative. Er kennt die Wirtschaftsbosse und ihre Bedürfnisse. Und setzt Akzente. So stieß er neulich fast nebenbei eine Diskussion über ein neues Stadion in Frankfurt an. Oder er macht sich, zwischenzeitlich sogar an der Spitze der Deutschen Fußball-Liga, Gedanken über die Entwicklung der Bundesliga.

Um die Grenzen, die einst als unüberwindbar galten, mit der Eintracht zu verschieben, braucht Hellmann die Frankfurter Wirtschaft. Erfolge lassen sich im Sport schwer planen, ein paar Fehleinkäufe, eine Hand voll schlechter Spiele, und schon kann die Eintracht wieder ins Mittelfeld der Liga abrutschen. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, wurde unter Hellmann minimiert, auch mit dem Engagement der Banken. Eine davon ist jener Konzern, bei dem sich Hellmann einst eine Abfuhr holte: Die Deutsche Bank ist heute Namensgeber des Stadiongeländes.

Quelle:  F.A.S vom 08.09.2024, RHEIN-MAIN-Zeitung 

Autor: Daniel Schleidt 

Foto: F.A.Z. Foto / Jasper Hill.

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