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Finanzstandort Deutschland in der Diskussion: „Oberster Punkt ist die Wettbewerbsfähigkeit“

Schwache Stimmung, überbordende Bürokratie und fehlende Handlungsbereitschaft: Bei der Podiumsdiskussion zur Frage: „Welche Bedeutung hat der Finanzstandort Deutschland für die Bewältigung der Transformation?“ hatten Henriette Peucker, Eddy Henning und Oliver Behrens klare Botschaften für die Politik.

Frankfurt am Main, 18.11.2024 – Welche Bedeutung hat der Finanzstandort Deutschland für die Bewältigung der Transformation? Dieser Frage stellten sich am Eröffnungstag der Euro Finance Week Henriette Peucker, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts, Eddy Henning, Vorstandsmitglied der ING Deutschland, und Oliver Behrens, Präsident von Frankfurt Main Finance. Moderiert wurde von Sarah Schmidtke, Geschäftsführerin des Bankenverbands Mitte.

In einem waren sich alle drei Diskutanten schnell einig: Es muss sich etwas tun. Denn aktuell, so betonte Eddy Henning zu Anfang, ist die Stimmung „moll“. Oft höre man von Firmenkunden von „unreadyness“ und zu viel Bürokratie. Ähnlich sah es Henriette Peucker, die dem deutschen Kapitalmarkt zwar einerseits eine zentrale Rolle beimisst. Denn: „Kein Staatsgeld kann die Transformation stemmen“, so Peucker. Andererseits sieht sie noch erhebliche Schwächen – aber auch Potenziale.

„Der Kapitalmarkt ist für die Politik und weite Teile der Bevölkerung Teufelszeug“, schloss auch Oliver Behrens sich der Argumentation seiner Mitdiskutanten an. Es sei wichtig, „einen klaren Plan“ zu haben, und der fehle noch an zu vielen Stellen. Ebenfalls Einigkeit herrschte darüber, dass zu viel Regulierung nach wie vor ein Hindernis darstellt. Zwar sei Regulierung an sich „gut und wichtig“, wie Henning insbesondere mit Bezug auf die Finanzkrise 2008 betonte, aber man müsse sich gerade bei Reportingpflichten fragen: „Wo fangen wir an zu übertreiben?“ Reporting, Regulierung, Bürokratie – Diese Faktoren machten den Kapitalmarkt in Deutschland zu komplex.

Oliver Behrens sieht die Politik in der Pflicht. Insbesondere in Frankfurt habe man sich zu lange auf seiner Position als wichtigster Finanzplatz im kontinentalen Europa ausgeruht. Es fehle an Standortmarketing. Einfach zu hoffen, dass sich Institutionen und Unternehmen von selbst ansiedeln: „Das ist naiv“, so sein Fazit. Immerhin: Für Mike Josef (SPD), den neuen Frankfurter Bürgermeister, hatten alle drei einiges an Lob übrig. Dieser kümmere sich darum, Frankfurt wieder attraktiver zu machen. Dabei komme es auch auf kleine Schritte an, wie die Eigentümerinitiative Bahnhofsviertel zeige, erläuterte Henning. Aber auch ganz allgemein brauche es einen Kulturwandel, der Wertschätzung für junge Talente wieder in den Mittelpunkt stelle.

Frankfurt soll nicht „größtes Backoffice in Europa“ werden

Andernfalls drohe die Stadt, zum „größten Backoffice in Europa“ zu werden, ergänzte Behrens. Auch hier sei gutes Stadtmarketing essenziell. Dabei habe es in der Vergangenheit zu oft geheißen: „Gute Idee, aber fangt ihr doch mal an.“ Auch wenn die Politik – selbst im fernen Berlin – inzwischen anfange, das Problem ernst zu nehmen, fehle noch immer die Koordination unter den Initiativen. In Bayern würden beispielsweise Startup-Ausgründungen aus Universitäten gezielt gefördert, so Behrens. In Frankfurt könnte man Leerstand an Büroräumen für Startups zur Verfügung stellen – und natürlich den besten Zugang zu Kapital anbieten. Denn meist würde es für Startups in der zweiten oder dritten Finanzierungsrunde schwer, wenn das Kapital fehle. Dabei sind gerade die Weitergabe von implizitem Wissen und der persönliche Austausch essenziell für ein Startup-Ökosystem, wie auch die Forschung zeigt. Hier könnte Frankfurt als Stadt der kurzen Wege seine Stärken ausspielen. Schon 2022 sah die Financial Times in Frankfurt nicht umsonst „The perfect 15-minute city”.

Gefragt nach drei Wünschen, die die Diskutanten an die neue Bundesregierung bezüglich der Transformation richten könnten, macht Oliver Behrens dann auch klar: „Oberster Punkt ist die Wettbewerbsfähigkeit.“ Das gelte auf regionaler wie auf nationaler und internationaler Ebene. Dafür wünsche er sich mehr Pragmatismus in der Politik und eine kapitalgedeckte Altersvorsorge, um die Abhängigkeit von ausländischem Kapital zu reduzieren. Dann könne der Finanzstandort Deutschland auch seiner Position in der viertgrößten Volkswirtschaft weltweit gerecht werden und einen zentralen Beitrag zur Transformation leisten.

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