Die Ausstellung „Städel Frauen. Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900“ resultiert aus einem Forschungsprojekt, das an die Retrospektive zur Malerin Ottilie W. Roederstein vor zwei Jahren anknüpft. Der Städel stellte dafür ein Budget „wie für einen unserer klassischen Blockbuster“ bereit, wie Direktor Philipp Demandt betont. „Der Blick auf die Situation von Künstlerinnen um die Jahrhundertwende und ihren Einfluss auf die Entwicklung der modernen Kunst wird sich mit dieser Ausstellung nachhaltig verändern.“
Für alle „ohne Unterschied des Geschlechts“ zugänglich
Mit dem „Porträt der Freunde“ der Malerin Louise Catherine Breslau startet die Ausstellung mit einem ikonisches Bild, das die spezifische Situation für Frauen in der damaligen Zeit beschreibt. Es zeigt Breslau, wie sie die zwei Freundinnen ihrer Wohn- und Frauengemeinschaft (und einen Hund) in der gemeinsamen Atelierwohnung malt. Es war damals gesellschaftlich nicht akzeptiert, als junge Frau allein zu wohnen. Das Gemälde entstand zudem in Paris. In Deutschland war Frauen der Zugang zu einer künstlerischen Ausbildung weitgehend verwehrt. 1881 wurde es im Pariser Salon erstmals ausgestellt und machte die Malerin schlagartig berühmt.
Nicht nur für Louise Catherine Breslau, sondern auch für Ottilie W. Roederstein, Marie Bertuch oder Elizabeth Nurse wurde Paris zum Ausgangspunkt ihrer Karrieren und zu einem wichtigen Zentrum ihres internationalen Netzwerks. Sie ließen sich in privaten Kunstakademien bei renommierten französischen Künstlern ausbilden.
Für Roederstein oder Bertuch war Frankfurt beim Umzug Anfang der 1890-er Jahre allein schon deshalb attraktiv, weil die Städelschule bereits seit 1869 Frauen in einem separaten „Damenatelier“ für Malerei unterrichtete. Der Stifter, Johann Friedrich Städel, hatte nämlich testamentarisch verfügt, dass die Kunstschule für alle Kinder der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger „ohne Unterschied des Geschlechts“ zugänglich sein sollte. Ab 1904 ermöglichte die Städelschule schließlich einen gleichberechtigten Zugang in alle Klassen.
Sonne, Spargel, Stilleben und ein Seziertisch
Bei der Wahl der Motive wandten sich – entsprechend dem Zeitgeschmack – viele Künstlerinnen Szenen des täglichen Lebens zu: Sonne, Spargel, Rosen, das Matterhorn oder eine japanische Landschaft mit Rehen wurden als „typisch weiblich“ akzeptiert, auch wenn die Malerinnen damit Lichtphänomene oder einen expressiven Malstil erproben wollten.
Insofern überrascht es wenig, dass Annie Stebler-Hopf um 1889 im Pariser Salon konservative Kritiker provozierte, als sie den Arzt Professor Poirier beim Sezieren einer Leiche malte. Ebenso wie Ida Gerhardi, die mit Can-Can-Tänzerinnen Szenen aus dem Pariser Nachtleben zeichnete, obwohl es für bürgerliche Frauen damals tabu war, solche Vergnügungslokale ohne Begleitung aufzusuchen. Auch beim Aktstudium, ein elementarer Bestandteil künstlerischer Ausbildung, wurden Frauen aufgrund moralischer Bedenken Steine in den Weg gelegt. Lehrer, die Frauen beim Aktzeichnen unterrichteten, waren rar.
Dazu passt, dass auch die Bildhauerei lange als die „unweiblichste aller Künste“ galt. Frauen wurde sowohl die nötige physische Kraft als auch der für die Gestaltung dreidimensionaler Kunstwerke erforderliche Raumsinn abgesprochen. Der jungen Kunststudentin Louise Schmidt gelang jedoch bereits 1893 als erster Frau die Aufnahme in die Bildhauerklasse der Städelschule. In der Ausstellung ist sie mit einem „Sonnenanbeter“ aus Marmor vertreten, den sie 1913 bei der Weltausstellung in Gent vorstellte. Von ihrer späteren Schülerin Marg Moll stammt eine Bronzearbeit „Stehende mit Krug“.
Die Ausstellung mit 26 Künstlerinnen beginnt um 1880. Sie schließt – drei Künstlerinnengeneration ein halbes Jahrhundert später – mit Werken aus den Jahren um 1930, denn die Machtübernahme der Nationalsozialisten markierte ein Ende. Das Regime erklärte die emanzipierte „Neue Frau“ der 1920er-Jahre ebenso zum Feindbild wie die unabhängige Künstlerin. So war in Frankfurt für lange Zeit auch eine liberale Künstlerinnenausbildung nicht mehr möglich.
Informationen
Die Ausstellung im Städel Museum ist bis zum 27. Oktober 2024, dienstags bis sonntags von 10 Uhr bis 18 Uhr (donnerstags bis 21 Uhr) geöffnet. Mehr Informationen unter www.staedelmuseum.de.
Text und Fotos: Dr. Wolfgang Gerhardt