DE-CIX – ausgesprochen De:kiks – verzeichnete am 1. Oktober 2024 gegen 21 Uhr in Frankfurt auf seiner Plattform einen neuen Höchstwert: Parallel zur Champions League-Übertragung auf Amazon Prime Video, „strömten“ 17,65 Terabit an Daten pro Sekunde durch den Internetknoten von DE-CIX in Frankfurt. Das entspricht umgerechnet circa 6 Millionen zeitgleich gestreamten Videos in HD-Qualität oder ungefähr 90 Millionen vollen Badewannen, sofern jedes Bit einem Milliliter Wasser entspräche.
So eindrucksvoll dieser Spitzenwert ist, so bemerkenswert ist zugleich der gegenwärtige durchschnittliche Datendurchsatz am Internetknoten in Frankfurt mit knapp 13 Terabit pro Sekunde, also über 4 Millionen Videos in HD-Qualität. Vor fünf Jahren, Ende September 2019 lag der Durchschnitt noch bei rund 7 Terabit; eine Steigerung von über 80 % in nur 5 Jahren.
Ivo Ivanov, seit 2007 bei DE-CIX und seit 2022 CEO, betont die Bedeutung eines digitalen Ökosystems: „Ein gut funktionierender Zugang zu digitaler Infrastruktur bietet nicht nur Annehmlichkeiten für unser Privatleben und wirtschaftlichen Erfolg, sondern ist auch von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung einer Stadt, einer Region oder Nation. Internetknoten sind als Kern digitaler Ökosysteme der Schlüssel zur digitalen Entwicklung und zum zukünftigen Leben.“
Beginn vor 30 Jahren mit 2 Megabit
Begonnen hatte es 1995 in einem ehemaligen Telegramm-Postamt in Frankfurt mit einer Anbindung von 2 Megabit pro Sekunde Datendurchsatz. Drei deutsche Internet-Service-Provider, die nicht länger Daten auf dem Umweg über die USA austauschen wollten, initiierten die Gründung von DE-CIX, aber nicht als eigenes Unternehmen, sondern als Gesellschaft unter dem Dach des eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. Der Verband ist noch heute alleiniger Eigentümer von DE-CIX.
Für Ivo Ivanov war es ein visionärer Schritt: „Wir profitieren vom Wissen und den Bedürfnissen von mehr als 1100 Mitgliedsunternehmen eines der größten Verbände der Internetwirtschaft in Europa. Das sorgt für technische Exzellenz und verschafft uns zugleich Unabhängigkeit. Unser Grundprinzip ist die Neutralität gegenüber Rechenzentren und Netzbetreibern.“ DE-CIX mietet sich mit seinen Anlagen in unterschiedlichen Rechenzentren ein und nutzt die Infrastruktur von Dritten, sog. Carriern, zum Beispiel mit der Anmietung von Glasfaserkabeln.
Warum Frankfurt? Ivanov antwortet: „Frankfurt liegt verkehrsgünstig in der Mitte Deutschlands und Europas, sodass für alle Beteiligten der Aufwand ähnlich hoch war, sich anzubinden“. Und weiter: „Zudem engagierten sich in Frankfurt damals Visionäre mit einer Idee zur Zukunft des Internets. Rechenzentren entstanden, und – im Gegensatz zu anderen Kommunen – öffnete die Stadt den öffentlichen Raum und erlaubte unter anderem zahlreichen Anbietern, Glasfaserleitungen zu verlegen. So entstand in Frankfurt ein digitales Ökosystem.“
Schritte nach Osteuropa, Dubai und New York
Drei Meilensteine folgten: Zwischen 2006 und 2008 erreichten die amerikanischen Tech-Giganten mit ihren Leitungen aus Übersee Frankfurt. DE-CIX überzeugte Anbieter aus Osteuropa, durch eigene Leitungen nach Frankfurt rasch einen Zugang zu den Daten aus den USA zu schaffen. „West meets Ost“ war das Thema damals.
2010 gewann DE-CIX den Auftrag der Regulierungsbehörde in den Vereinigten Arabischen Emiraten für eine Studie zum Aufbau einer Internetplattform, weil damals mehr als 90 % der lokalen Daten nicht in Dubai, sondern auf Umwegen in Europa, Asien oder Amerika ausgetauscht wurden. Ivanov erinnert sich. „Die Behörden entschieden sich nicht für eine globale Unternehmensberatung, sondern für uns aufgrund unserer Erfahrungen in Frankfurt. Das Modell Frankfurt wurde so zum Welterfolg.“
2012 erhielt DE-CIX nach der Studie den Auftrag zum Aufbau einer eigenen Plattform in Dubai. 2014 folgte der Schritt sogar nach New York. „Der Markt dort war stark fragmentiert, weil die Netzwerke selbst von den Rechenzentren betrieben wurden und so nicht unabhängig waren.“ Seit 2014 ist DE-CIX „der größte unabhängige Anbieter von Internetknoten in New York und in den Top 5 der USA“, so der CEO von DE-CIX.
Heute ist DE-CIX das größte unabhängige Interconnection Ökosystem der Welt, vertreten in rund 60 Metropolregionen der Welt. Mittlerweile haben sich über 3600 andere Netzwerke an DE-CIX angeschlossen. DE-CIX verfügt über eine Kapazität von mehr als 160 Terabit und nutzt dazu über 1000 Rechenzentren, davon allein in der Rhein-Main-Region rund 50 Einrichtungen.
Der Wettbewerb um Millisekunden
Ivanov, der zu den global 100 wichtigsten Experten im Bereich Telekommunikation gezählt wird, möchte mit DE-CIX dazu beitragen, dass die Menschen in möglichst allen Regionen der Welt – ob in Wüsten oder Hochgebirgen über einen bezahlbaren Zugang zu digitaler Infrastruktur verfügen. Dazu genügen vor Ort kleine Rechenzentren, die über Glasfaser oder Satellit an das globale Netz angeschlossen sind. „Es reichen quasi Telefonzellen, in die DE-CIX jeweils eine Pizzabox mit Equipment hineinlegt“, zieht Ivanov einen bildhaften Vergleich.
Bezahlbarkeit ist im Grunde ein eher nachgeordnetes Problem, denn 2012 kostete der Durchsatz von 1 Terabit Daten fast 100 % mehr als im Jahr 2022. Der CEO erklärt: „Der einzigartige Rückgang ist auf die dramatische Steigerung des Volumens zurückzuführen. Es gab keinen ruinösen Wettbewerb zwischen den Anbietern. Der Markt hat sich selbst reguliert.“
Viel wichtiger im globalen Maßstab ist der Wettbewerb um Millisekunden. „Latenzzeiten sind die neue globale Währung“, betont Ivanov. Datenübertragung nahezu in Echtzeit macht im Gaming für Privatleute Online-Spiele leistungsstärker und so attraktiver. Entscheidend sind die Millisekunden aber in anderen Bereichen: Für das autonome Fahren, die Robotertechnik und die künstliche Intelligenz sind geringe Latenzen schlichtweg unverzichtbar. Maßstab sind die Reaktionszeiten des menschlichen Gehirns – 20 Millisekunden bei haptischen Reizen, 13 Millisekunden bei visuellen Wahrnehmungen und 1 Millisekunde beim Hören.
Eine Latenzzeit von 1 Millisekunde wiederum bedeutet in der digitalen Welt, dass das Rechenzentrum maximal 80 bis 100 km vom Nutzer entfernt sein darf. Das wiederum erfordert zusätzliche Rechenzentren. In Bezug auf das autonome Fahren macht Ivanov das Warum deutlich. „Das Auto wird nicht zum Rechenzentrum kommen, sondern das Rechenzentrum muss zum Auto kommen.“
„Kontrolle über die Datenreise“
Immer mehr Gewicht gewinnt zudem das Konzept der geschlossenen Nutzergruppen innerhalb des Internets. Auto, Logistik, allgemein Mobilität sowie Gesundheit und nicht zuletzt auch die Finanzindustrie sind schon heute bedeutende Anwender dieser Formate. Mühelose Implementierung von Innovationen, weiteres geschäftliches Wachstum, jederzeit stabile Performance, extrem hohe Sicherheit, reduzierte Komplexität und die strikte Einhaltung von Compliancevorgaben in diesen Industrien hängen für den CEO entscheidend davon ab, ob die Unternehmen auch „jederzeit Kontrolle über die Datenreise“ haben.
Diese Kunden mieten deshalb bei DE-CIX abgeschlossene Netzwerke, schaffen sich also ein „privates“ Internet, auf denen ausschließlich eigene Dateien durchgeleitet werden. Schnittstellen zu anderen Netzwerken werden nur geöffnet, um mit zuvor festgelegten Geschäftspartnern Daten auszutauschen.
Der Beginn einer neuen Evolutionsstufe
Für den CEO von DE-CIX, Ivo Ivanovic, steht die digitale Welt vor einer neuen Evolutionsstufe – und er ist dabei optimistisch für die Zukunft von DE-CIX. „Keine cloudbasierte Anwendung, keine künstliche Intelligenz kommt ohne adäquate digitale Infrastruktur aus. Für eine optimale Versorgung muss diese Infrastruktur so lokal sein, wie es nur geht, und so global integriert sein, wie es notwendig ist.“
Weitere Informationen: www.de-cix.net
Bilder: DE-CIX