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Weniger Berichtspflichten? DVFA Investment Professionals warnen vor negativen Folgen für die Kapitalmärkte

Weniger Berichtspflichten mögen Bürokratie abbauen, doch laut DVFA Investment Professionals drohen Intransparenz, Informationsgefälle und ein Rückschritt für die Effizienz der Kapitalmärkte.

Mitte September schlug US-Präsident Donald Trump vor, börsennotierte US-Unternehmen sollten künftig auf Quartalsberichte verzichten können und nur noch Halbjahres- sowie Jahresabschlüsse veröffentlichen. Trump und der neue SEC-Chef Paul Atkins argumentieren, dies reduziere bürokratische Lasten und mindere die Kurzfristorientierung von Unternehmenslenkern wie Investoren. Damit griff der amerikanische Präsident seine Idee von 2018 erneut auf. Sie hatte damals die Unterstützung unter anderem von Jamie Dimon und Warren Buffet gefunden, und auch in Deutschland gibt es durchaus Befürworter.

„Tatsächlich wird das Thema kontrovers diskutiert. Das belegen die Antworten unserer DVFA Investment Professionals auf die jüngste Monatsfrage“, kommentiert Peter Thilo Hasler, Mitglied im Vorstand der DVFA, die Ergebnisse. „Insgesamt zeigt sich jedoch eine Skepsis gegenüber dem US-Vorschlag, gerade mit Blick auf die Standortqualität der transparenten und effizienten Kapitalmärkte in Deutschland und Europa.“

Wie üblich hatten die Befragten grundsätzlich die Wahl zwischen vorgegebenen Antworten, bei Frage 4 dieses Mal jedoch auch die Möglichkeit zur freien Formulierung ihrer Antwort.

Ablehnung des Trump-Vorschlags überwiegt – ein Drittel unentschieden

42 % der Befragten lehnen den Vorschlag ab, da er die Markttransparenz schwäche und die Effizienz der Preisbildung wie der Kapitalallokation insgesamt gefährde. Es gelte, Informationsasymmetrien zwischen strategischen Investoren mit ihren spezifischen Zugängen zu Unternehmensinformationen einerseits und andererseits kleineren, auf Veröffentlichungen angewiesenen Anlegern zu vermeiden.

Rund ein Viertel der Umfrageteilnehmer (26 %) befürworten die Maßnahme, da sie das Kurzfristdenken reduzieren und die langfristig orientierte Unternehmensführung stärken werde.

Fast jeder Dritte (32 %) ist dagegen unentschlossen. Sie wollen die Maßnahme allein weder positiv noch negativ einschätzen, da deren Wirkung stark vom Zusammenspiel mit Ad-hoc-Publizität und freiwilligen Unternehmensmeldungen abhänge. Kommentiert wurde das u. a. mit dem Hinweis, dass weniger häufige Ergebnisberichte für langjährig gelistete Unternehmen mit stabilem Geschäftsmodell sinnvoll sein könnten, sofern die Ad-hoc-Publizität funktioniere.

Befürchtung einer verringerten Qualität der Kapitalmarktkommunikation

Bei den erwarteten Auswirkungen auf die Kapitalmarktkommunikation dominiert die Sorge vor Qualitätseinbußen. Jeweils rund ein Viertel der Antwortenden befürchtet eine Zunahme opportunistischer Kommunikationsstrategien (25 %), eine Verunsicherung der Anleger durch stärkere Abhängigkeit von freiwilliger Management-Guidance und Analystenschätzungen (26 %) oder eine wachsende Informationskluft zwischen „informierten“ institutionellen Investoren und weniger gut informierten Privatanlegern (26 %).

Aber auch 23 % der antwortenden Investment Professionals erhoffen sich von einem Wegfall der Quartalsberichte, dass die Bedeutung der allgemeinen Unternehmenskommunikation zunimmt, da der Fokus dann weniger auf Quartalszahlen und mehr auf strategischen Narrativen liege. „Mehr Eigenverantwortung, weniger Regulierung“, lautete hierzu einer der Kommentare. Gleichwohl akzeptieren die Teilnehmer, dass in diesem Fall die Bedeutung der Ad-hoc-Publizität zunehmen würde.

Quelle: DVFA e. V.

Negative Auswirkungen auf die Funktion der Kapitalmärkte erwartet

Befragt nach den Auswirkungen des amerikanischen Vorschlags auf die Kapitalmärkte und deren Funktion, entschied sich die klare Mehrheit der an der Umfrage teilnehmenden DVFA-Mitglieder (62 %) für jene beiden Antwortmöglichkeiten, die eher Skepsis zum Ausdruck bringen.

  • So befürchtet mehr als jeder Dritte (37 %), dass die Volatilität der Märkte zunimmt, weil die Zeiträume zwischen der Veröffentlichung neuer Finanzdaten größer werden.
  • Und jeder Vierte sieht dann aktivistische Investoren und Hedgefonds im Vorteil, da sie Informationsasymmetrien aggressiver nutzen könnten.

Keine wesentliche Änderung erwarten dagegen immerhin 38 %, da sie über Ad-hoc-Pflichten, alternative Datenquellen und Sell-Side-Research ausreichend informiert blieben. Und in einem Kommentar wurde die Meinung vertreten, Deregulierung könne den Trend weg von Börsennotierungen hin zu Private Equity generell verlangsamen.

Mehrheit lehnt Debatte in Europa ab

Eine Mehrheit von 56 % der befragten Investment Professionals spricht sich gegen eine Initiative für seltenere Berichtspflichten in Europa oder Deutschland aus. Sie argumentieren, dass die hier etablierten hohen Transparenzstandards ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil für die Attraktivität des Finanzplatzes seien.

In den frei formulierten Kommentaren (3 %) werden folgende Bedenken genannt:

  • Geringere Transparenz könnte das Anlegerinteresse und das Kursniveau mindern und damit die Finanzierungsfunktion der Kapitalmärkte schwächen.
  • Der Markt sollte über Umfang und Taktung von Berichtspflichten entscheiden.
  • Europa habe andere prioritäre Ziele, wie die Schaffung eines einheitlichen Kapitalmarktes.

Eine bedeutende Minderheit von 44 % wünscht sich hingegen eine lebhaftere Diskussion auch in Europa. Eine Harmonisierung der Berichtspflichten mit den USA könnte aus ihrer Sicht die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Börsenstandorte stärken. Die dafür vorgebrachten Argumente in den Freitextkommentaren (8 %) sind:

  • Bürokratieabbau und ein stärkerer Fokus auf die Langfristigkeit wären auch in Europa vorteilhaft. 
  • Hohe bürokratische Hürden seien ein Standortnachteil und könnten Unternehmen zur Abwanderung bewegen.
  • Deregulierung sei generell wünschenswert, wobei der Nutzen branchenabhängig sei.
  • Seltenere Berichte würgen das kurzfristige Quartalsdenken ab und stärken den Langfristcharakter von Investments.
  • Ergänzend sollte parallel auch die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Ergebnisprognosen abgeschafft werden.

„Die Skepsis unserer Mitglieder gegenüber dem US-Vorschlag ist angesichts geopolitischer Unsicherheiten mehr als nachvollziehbar“, fasst Peter Thilo Hasler zusammen. „Statt über weniger Transparenz zu diskutieren, sollten wir in Europa wichtigere Themen für unsere Kapitalmärkte priorisieren. Sollten die US-Berichtspflichten gesenkt werden, könnte die EU daraus sogar Vorteile ziehen.“

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