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Neuer AFME & zeb-Bericht untersucht Rolle der Kapitalmärkte in Deutschland

Eine neue Studie im Auftrag der Association for Financial Markets in Europe (AFME), durchgeführt von zeb Consulting, untersucht die Potenziale der Kapitalmärkte für Deutschland angesichts aktueller Finanzierungslücken und Herausforderungen wie der Dekarbonisierung und der Alterung der Bevölkerung.

  • Deutschland hinkt bei der Kapitalmarktfinanzierung anderen Ländern hinterher.
  • Deutsche Unternehmen sind fast ausschließlich auf Bankkredite angewiesen, während die privaten Haushalte die Kapitalmärkte für Investitionen und Altersvorsorge nach wie vor meiden.
  • Es besteht eine jährliche Finanzierungslücke von 175 Milliarden Euro, um die ehrgeizigen Klimaziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen.
  • Es mehren sich die Anzeichen für einen Meinungsumschwung in Bezug auf die Rolle der Kapitalmärkte im deutschen Finanzsystem.
  • In Deutschland ist der Anteil an Kapitalmarktinstrumenten deutlich geringer als in anderen Ländern, allerdings wächst in Deutschland eine Aktienkultur unter jungen Investoren.
  • Das deutsche umlagefinanzierte Rentensystem gerät angesichts einer alternden Gesellschaft ins Wanken. Um dieser Herausforderung zu begegnen, wird in Zukunft ein Altersversorgungssystem, das zum Teil auf Kapitalmarktfinanzierung basiert, unerlässlich sein.
  • Die Kapitalmärkte könnten helfen, künftige Investitionen in Deutschland zu finanzieren, auch über neue Finanzierungsquellen wie Verbriefungen.

Die Association for Financial Markets in Europe (AFME) hat heute einen neuen Bericht über die Rolle der Kapitalmärkte in Deutschland veröffentlicht. Diese Studie, erstellt von zeb Consulting, zeigt das Potenzial auf, das eine stärkere Finanzierung über den Kapitalmarkt für Deutschland bietet.

Zu den wichtigsten Ergebnissen des Berichts gehört, dass die Messlatte allein für die Dekarbonisierungsbemühungen in Deutschland sehr hoch liegt. Die Bundesregierung hat sich im Rahmen des Klimaschutzgesetzes verpflichtet, die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2030 um mindestens 65 % gegenüber 1990 zu senken.

"Deutschland, Europas größte Volkswirtschaft, steht vor der immensen Herausforderung, bis 2030 jedes Jahr rund 175 Milliarden Euro an Finanzmitteln aufzubringen, nur um die Dekarbonisierungsbemühungen voranzutreiben. Es ist klar, dass die öffentliche Hand und die Banken allein diesen massiven Investitionsbedarf nicht finanzieren können. Wenn die Bundesregierung ihre ehrgeizigen Ziele der Transformation von Industrie, Infrastruktur und Verkehr in den kommenden Jahren erreichen will, muss sie sich dem enormen Potenzial der Finanzierung über die Kapitalmärkte zuwenden. Die weitere Integration der europäischen Kapitalmärkte wird die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand Deutschlands in Zukunft unterstützen und vertiefen."

"Unser internationaler Vergleich der Rentensysteme zeigt, dass Länder mit staatlich dominierten Rentensystemen im Gegensatz zu Systemen mit kapitalmarktfinanzierten Elementen eine weniger ausgeprägte Private-Equity-Kultur aufweisen. In Deutschland zeichnet sich ein Trend zur privaten Altersvorsorge über die Kapitalmärkte ab. Dennoch legen die deutschen Haushalte weiterhin fast 60 % ihres Geldvermögens in Einlagen oder Lebensversicherungen an. Ohne eine grundlegende Änderung des derzeitigen Rentensystems wird die Entwicklung der kapitalmarktnahen privaten Vorsorge nur relativ langsam voranschreiten."

Wichtigste Ergebnisse:

Anhaltend geringe Inanspruchnahme von Kapitalmarktfinanzierungen durch deutsche Unternehmen

  • Traditionell bevorzugen Unternehmen in Deutschland Bankfinanzierungen gegenüber Kapitalmarktfinanzierungen. Auffällig ist der hohe Anteil von Bankkrediten als Hauptfinanzierungsquelle eines Unternehmens: In Deutschland sind es 29 Prozent, in Frankreich 24 Prozent, in den USA nur 12 Prozent. Das gesamte Firmenkundengeschäft der Banken in Deutschland wird von Krediten dominiert. Das Wertpapiergeschäft, also die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Kauf, Verkauf und der Verwahrung von Wertpapieren, ist über alle Kundensegmente hinweg deutlich kleiner.
  • Mittlerweile liegt die Marktkapitalisierung aller börsennotierten Unternehmen in Deutschland bei knapp 50% im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das ist nicht nur im Vergleich zu Großbritannien (rund 140 %) und den USA (rund 220 %) gering, sondern auch im Vergleich zu Frankreich, wo die Börsenkapitalisierung der Unternehmen im Verhältnis zur gesamten Wirtschaftsleistung des Landes bei über 100 % liegt.
  • Die im Vergleich zur deutschen Wirtschaftsleistung relativ niedrige Marktkapitalisierung deutscher Unternehmen spiegelt die anhaltend geringe Nutzung der Kapitalmärkte als Finanzierungsquelle für deutsche Unternehmen wider. Dies wird oft Familienunternehmen zugeschrieben, von denen 94 % einen Umsatz von unter einer Million Euro haben.

Bankkredite allein können den künftigen Investitionsbedarf nicht decken

  • Gleichzeitig wirken sich Innovation und Modernisierung direkt auf die Kapitalquoten deutscher Banken aus. Nach den Schätzungen des Berichts für den gesamten deutschen Markt werden die Banken in Zukunft nicht mehr in der Lage sein, die für die Dekarbonisierung der Wirtschaft erforderlichen Mittel aufzubringen, obwohl sie derzeit eine relativ gute harte Kernkapitalquote (CET1) (harte Kernkapitalquote) von 15,4 % aufweisen.
  • Darüber hinaus werden steigende regulatorische Anforderungen und Investitionen in die Digitalisierung dazu führen, dass Banken in den kommenden Jahren weniger Handlungsspielraum haben. Es werden daher zusätzliche Finanzierungsquellen über die klassischen Bankkredite hinaus notwendig sein. Um die offensichtlichen Finanzierungslücken zur Erreichung der im Grundgesetz verankerten Dekarbonisierungsziele zu schließen, stellen die Kapitalmärkte eine zusätzliche Finanzierungsquelle dar, die in Deutschland bisher wenig genutzt wird, aber in Zukunft unumgänglich erscheint.

Volumen von Private Equity und Public Equity in Deutschland hinter der Konkurrenz

  • Darüber hinaus hinkt Deutschland in Bezug auf Risikokapital hinterher und schöpft das Potenzial von Risikokapital nicht aus. Im Jahr 2022 lag die Private-Equity-Finanzierung im Verhältnis zum BIP bei 0,4 %. In den USA lag sie dagegen bei 3,6 %; fast zehnmal mehr Risikokapital darstellen. In Großbritannien liegt die Quote bei 1,1 Prozent und damit mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland.
  • Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) spielen Kapitalmarktinstrumente oder institutionelles Private Equity (außerhalb von Investitionen von Familie und Freunden) nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Das Schuldscheinmodell bleibt spezifisch für Deutschland

  • Darüber hinaus stellt eine spezielle deutsche Struktur – der Schuldschein – der die Merkmale von Darlehen und Anleihen vereint, nach wie vor eine wichtige Finanzierungsquelle dar. Die Emission von Schuldscheindarlehen stieg im Jahr 2022 auf fast 40 Milliarden Euro, wobei Banken als erste Kreditgeber fungierten und Tranchen an Investoren überwiesen.
  • Obwohl das Volumen von Schuldscheindarlehen seit einigen Jahren steigt und mehr als 3-mal größer ist als der klassische Verbriefungsmarkt, behindert die Tatsache, dass sie nicht öffentlich gehandelt werden, eine breitere Nutzung durch ausländische Investoren

Verbriefung ist ein wichtiger Teil des Marktes

  • Verbriefungen könnten das Kapital der Banken freisetzen und die Kapazität zur Finanzierung der Realwirtschaft erhöhen. Unternehmen könnten neue Finanzierungsquellen erschließen und unabhängiger von ihrer Bank werden. Das Bundesministerium der Finanzen und die Deutsche Bundesbank haben die Vorteile dieser Strukturen hervorgehoben.
  • Darüber hinaus hat Deutschland gemeinsam mit Frankreich einen Fahrplan zur Stärkung der Verbriefung als Finanzierungsquelle für die Realwirtschaft aufgestellt. Die Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes (als Nachfolger des Schuldscheinmarktes) könnte die Position größerer, kapitalmarktorientierter Banken deutlich verbessern.

Börsengänge verlagern sich ins Ausland

  • Seit 2019 gibt es einen wachsenden Trend zu grenzüberschreitenden Börsengängen deutscher Unternehmen, da der Anteil der Börsengänge an ausländischen Börsen insbesondere in den USA deutlich zugenommen hat.
  • Es zeichnet sich ein klares Branchenmuster ab: 52 % der deutschen Unternehmen, die im Ausland notieren, sind im Biotechnologiesektor tätig, während 19 % im IT/E-Commerce tätig sind.
  • Unternehmen mit einem grenzüberschreitenden Börsengang wachsen nicht nur schneller, nachdem sie öffentliches Eigenkapital erhalten haben, es besteht auch die Tendenz, dass diese Unternehmen ihr Geschäft zunehmend von Deutschland in andere Länder verlagern.
  • So stieg die Zahl der im Ausland börsennotierten deutschen Unternehmen nach ihrem Börsengang um 19,1 %, während der Anteil ihres deutschen Geschäfts um 33 % zurückging. Im Vergleich dazu wuchsen die in Deutschland notierten deutschen Unternehmen nach ihrem Börsengang um 11,7 %, wobei der Anteil ihres deutschen Geschäfts nur um 1 % zunahm.
  • Vor diesem Hintergrund ist eine große Sorge, dass das Wachstumspotenzial des Landes leidet, wenn sich die deutschen Geschäftsaktivitäten in Zukunft in andere Regionen verlagern.

Das deutsche Rentensystem steht unter Anpassungsdruck

  • Mehr als drei Viertel (76 Prozent) des Alterseinkommens in Deutschland entfallen auf staatliche Leistungen, nur 8 Prozent stammen aus der betrieblichen Altersversorgung. Mit der Alterung der Bevölkerung wird der Druck auf das gesetzliche, umlagefinanzierte Rentensystem erhöht, sich anzupassen. Eine staatliche Rente allein wird in Zukunft nicht mehr ausreichen, um die Lebenshaltungskosten im Alter zu decken. Die Erwerbsbevölkerung wird sich dieses Themas zunehmend bewusst und verstärkt die privaten Bemühungen, für die eigene Altersvorsorge vorzusorgen. Der Prozess ist jedoch ein schrittweiser. Vor allem die jüngere Generation beginnt zunehmend, privat vorzusorgen. So hat sich beispielsweise die Zahl der Anteilseigner im Alter zwischen 20 und 29 Jahren in den letzten Jahren verdreifacht.
  • Mit rund 100 Milliarden Euro pro Jahr decken die aus dem Bundeshaushalt gezahlten Zuschüsse derzeit 30 Prozent aller Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung. Bis 2040 wird das Verhältnis von Beitragszahlern (15-64-Jährige) zu Rentnern (über 65-Jährige) jedoch unter 2:1 fallen. Das umlagefinanzierte Rentensystem braucht ergänzende Lösungen, um ein angemessenes Renteneinkommen zu gewährleisten, wobei die Bundesregierung derzeit die Idee einer staatlichen Rentenkasse in Betracht zieht.

Könnte die Modernisierung des deutschen Rentensystems eine Lösung sein?

  • Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer Gesetzesinitiative namens „Generationenkapital“, die das Rentensystem modernisieren soll, indem ein Kapitalstock aus öffentlichen Mitteln aufgebaut wird, um die Einnahmen zur Stabilisierung der Rentenbeiträge zu verwenden. Derzeit ist geplant, den Pensionsfonds aus dem Staatshaushalt zu finanzieren und in die Kapitalmärkte zu investieren. Mit einer Anschubfinanzierung von 10-12 Mrd. EUR pro Jahr soll bis 2035 ein Fonds von rund 200 Mrd. EUR geschaffen werden. Die Umsetzung dieses Pensionsfonds bleibt jedoch angesichts der Haushaltslage vage.
  • Fast 60 % des Geldvermögens der deutschen Haushalte sind jedoch nach wie vor in Bankeinlagen oder Lebensversicherungen angelegt. Typische kapitalmarktnahe Anlagen wie Anleihen, Pensionsfonds, Investmentfonds und Aktien fristen in Deutschland ein Nischendasein. Es wird von entscheidender Bedeutung sein, Chancen über die Kapitalmärkte zu nutzen, insbesondere durch die Ausweitung des umlagefinanzierten Rentensystems auf kapitalmarktfinanzierte Komponenten.

Diese Studie wurde von zeb Consulting im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der Association for Financial Markets in Europe (AFME) erstellt.

AFME & zeb-Bericht

Rolle der Kapitalmärkte in Deutschland

Quelle: Pressemitteilung vom 20.03.2024

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