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Börse hautnah erleben

Es ist der Ort, der Geschichte und Gegenwart des Finanzplatzes Frankfurt in einzigartiger Weise verbindet: der letzte aktive Börsenhandelssaal Europas in der „Neuen Börse“ am Börsenplatz. Von der Galerie aus erlebten im vergangenen Jahr mehr als 40.000 Besucherinnen und Besucher Börse hautnah und sammelten Impulse, sich näher mit Aktien und anderen Wertpapieren für ihre eigene Vermögensbildung zu beschäftigen.

Ratternde Fernschreiber, rufende Börsenhändler, das zeichnete den Börsenhandel vor mehreren Jahrzehnten im „analogen Zeitalter“ aus. Wie schnell eine Order ausgeführt wurde, hing auch davon ab, wieviel schnell der Händler von seiner Kabine bis zur Maklerschranke eilte. Im digitalen Zeitalter werden Käufe und Verkäufe in Millisekunden elektronisch abgeschlossen. Heute ist es deshalb ruhig auf dem Börsenparkett, weil Orders unmittelbar auf den Bildschirmen eingepflegt werden.

Die Heimat der Frankfurter Wertpapierbörse

Zwei Börsenhandelssäle sind in Frankfurt noch in Betrieb. Sie sind die Heimat der Frankfurter Wertpapierbörse. Alle Transaktionen, die über diese Wertpapierbörse abgewickelt werden, werden von acht sogenannten „Spezialisten“ bearbeitet, die mit ihren Börsenhändlern und -händlerinnen unmittelbar in einem der Ringe auf dem Börsenparkett sitzen. Rechtlich waren es früher Maklerfirmen, heute sind es Wertpapierhandelsbanken, die in bestimmten Werten jeweils für den Marktausgleich sorgen.

Der Börsenhandel in Frankfurt startete am 9. September 1585, als während der Herbstmesse erstmals einheitliche Wechselkurse festgestellt wurden. Der älteste Kurszettel stammt aus dem Jahr 1721, der Handel mit Aktien begann fast hundert Jahre später, 1820. Es dauerte noch etwas mehr als 20 Jahre bis die die Börse ein eigenes Gebäude, die „Alte Börse“ am Paulsplatz bezog. Die prächtige „Neue Börse“ am Börsenplatz wurde 1879 eingeweiht und trägt diesen Namen noch heute, auch wenn die Börsenbetreiberin, die Deutsche Börse AG, 2010 in Eschborn ein neues Domizil bezogen hat.

Alte und neue Technik: die DAX-Tafel und die LED-Wand für aktuelle Informationen

 

Börsenglocke und Kurstafel – alt bewährt und immer noch modern

Das moderne Besucherzentrum erinnert natürlich an „alte Zeiten“. Die jahrhundertealte Börsenglocke in einer Glasvitrine auf der Besuchergalerie wird noch heute auf dem Börsenparkett genutzt, wenn der Handel mit einer „Bell Ringing Ceremony“ eröffnet wird. Dann feiern Emittenten und bis zu 250 Gäste einen Börsengang, ein Jubiläum oder die Aufnahme in einen Index. Auch bei anderen kapitalmarktrelevanten Anlässen wird die Glocke geläutet, zum Beispiel am Weltfrauentag im März, um weltweit zu dokumentieren, dass Börse nicht nur Männersache ist.

Kontinuierlich durchzieht – ebenfalls wie früher – ein leises Klappern den Handelssaal. Kleine metallische Quadrate an den Wänden wechseln entweder von schwarz auf weiß oder von weiß auf schwarz und fügen sich auf den großen Flächen zu Zahlen oder Buchstaben. Seit 1987 werden so im Abstand von lediglich vier Sekunden die große Graphik zum DAX und alle 10 Sekunden die Aktienkurse an den Wänden aktualisiert.

Niemand denkt daran, dieses System durch moderne LED-Bildschirme zu ersetzen, weil dann Spiegelungen die Lesbarkeit einschränken und nicht zuletzt Frequenzdifferenzen zu Störungen auf Fotos und Videos führen könnten. Der Handelssaal ist nämlich wahrscheinlich der Ort, von dem aus die meisten Live-Schaltungen in Deutschland gesendet werden. Rund 100mal berichten Reporterinnen und Reporter für TV-Anstalten und andere Medien täglich von hier aus über das Geschehen an der Börse.

Die Börsenglocke. Zum Anfassen nur für ausgewählte Gäste.
Der Bulle: Wahrzeichen und zugleich Maskottchen des Börsengeschehens

Ludwig van Beethoven und Aktionäre von heute

Die Deutsche Börse verfolgt mit dem Besucherzentrum, das in seiner heutigen Form in den Jahren ab 2017 geschaffen wurde, ein übergeordnetes Ziel. „Das Visitors Center soll zu einer der beliebtesten Attraktionen Frankfurts werden und damit unserem Bildungsauftrag rund um die Finanzmärkte für die Gesellschaft gerecht werden“, erklärt Max Ebner, Leiter des Besucherzentrums.

Schließlich war der Kreis der Aktionäre schon im 19. Jahrhundert nicht bloß auf Adel, Bankiers und reiche Geschäftsleute beschränkt. Die Ausstellung zeigt eine Aktie der damals privaten Österreichischen Nationalbank, die beim Start des Aktienhandels in Frankfurt auf dem Kurszettel stand. Der weltberühmte Komponist und Musiker Ludwig van Beethoven ist auf dem Wertpapier als Aktionär eingetragen.

Die Ausstellung beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Börse: Wie ist die Börse organisiert? Wie wird sie beaufsichtigt? Welche Arten von Wertpapieren werden gehandelt? Welche Bedeutung hat die Börse für Anleger, Unternehmen und die Volkswirtschaft? Touch Screens und Touch Walls ermöglichen es unter anderem, interaktiv die Kursentwicklung deutscher Aktien seit 1990 nachzuvollziehen. Das jeweils aktuelle Xetra Orderbuch wird eingeblendet, und eine „DAX Heat Map“ nennt die Gewinner und Verlierer im DAX. Wer selbst mal mit der Börse im Hintergrund „Reporter“ sein möchte, für den gibt es eine Selfie-Station.

(links nach rechts): Ludwig van Beethoven war eingetragener Aktionär der Österreichischen Nationalbank AG. Kopie des Wertpapiers, Erinnerung an den alten Handelssaal: Maklerschranke und Telefonkabinen der Börsenhändler, 30 Jahre DAX als Lichtinstallation und Antworten auf Fragen zum Börsengeschehen, Vielfältige Plattformen mit kontinuierlichem Fluss an Nachrichten zum Börsengeschehen
 

Informationen

Das Deutsche Börse Visitors Center, Börsenplatz 4, Frankfurt am Main, ist montags bis freitags von 10.30 bis 16.30 Uhr geöffnet. Der Besuch der Ausstellung mit Blick von der Besuchergalerie in den Handelssaal ist kostenfrei. Zusätzlich können Besucherinnen und Besucher auch an Vorträgen teilnehmen. Die Themen sind unterschiedlich. Sie reichen von der Börsengeschichte über grundlegende Informationen zu DAX, ETF, Kryptowährungen und IPO bis hin zu ersten Schritten bei der Vermögensbildung. Die vorherige Buchung eines Zeitslots ist erforderlich.

Mehr Informationen unter Börse erleben

Text und Fotos: Dr. Wolfgang Gerhardt.

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