Die Romantik ist eine Schlüsselepoche der deutschen Kulturgeschichte, die alle Bereiche der Kultur durchdrang. Sie begann Ende des 18. Jahrhunderts in einer Phase politischen Umbruchs, die in der Französischen Revolution und den Kriegen Napoleons kulminierten. Die Romantik breitete sich von Deutschland in andere Länder Europas aus und ersteckte sich bis weit in das 19. Jahrhundert. Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnete die Romantik als „Aufbruch in die gesellschaftlich komplexe Moderne“ und bezeichnete sie als „die zitternde Signatur einer Zeit, die noch nicht weiß, was aus ihr werden wird“.
Eine neue Sichtweise auf Johann Wolfgang von Goethe
Es ist eine glückliche Fügung, dass das Deutsche Romantik-Museum unmittelbar neben dem Goethe-Haus in der historischen Frankfurter Innenstadt errichtet wurde. Johann Wolfgang von Goethe gilt in Deutschland zwar als Vertreter des Sturm und Drang und der Klassik, international wird er jedoch als wichtigster Dichter der deutschen Romantik angesehen. Das Museum eröffnet deshalb auch eine neue Sichtweise auf ihn.
Wenig verwunderlich ist, dass Goethe vielerorts im Museum vertreten ist: Mit dem Original seines Aquarells eines nur sieben Zentimeter großen Farbkreises, das auf Tassen, T-Shirts, Seidenschals oder anderem Merchandising weltweit bekannt ist; mit der Vertonung seines „Faust“ durch Robert Schumann in den Jahren ab 1843 oder durch Gemälde mit seiner Person in der Galerie zu Beginn der Ausstellung.
35 interaktive Stationen
Wer über die „Himmelsleiter“ des blauen Treppenhauses die Ausstellung betritt, erfährt in einem „Spiegelwald“ die Intention der Künstlerinnen und Künstler. Sie wollten mit den Mitteln der Fantasie eigene Welten schaffen und machten die Sehnsucht zum zentralen Motiv und Lebensgefühl. In 35 Stationen werden in einem intensiven atmosphärischen Umfeld einzigartige Originale der Romantik präsentiert, die das Freie Deutsche Hochstift gesammelt hat – eingebettet in innovative, interaktive Ausstellungsformen des 21. Jahrhunderts.
Die „blaue Blume“ von Novalis wird so in einer Videoinstallation nach einem Zug an einer Kordel lebendig. Im „Märchenwald“ der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm lesen Kinder, Schauspieler und Märchenforscher das Märchen „Dornröschen“. In der „Werkstatt“ von Robert Schumann lässt sich nachvollziehen, wie sehr musikalische Kompositionen – ähnlich zu heutigen Romanverfilmungen – literarische Texte, wie eben Goethes „Faust“ auf Kernelemente reduzieren.
Im Frankfurter „Floh-Märchen“ von E.T.A. Hoffmann setzt eine Kurbel die Drehscheiben des „Gedankenmikroskops“ in Gang. In den Originalmanuskripten Joseph von Eichendorffs zum Gedicht „Wünschelrute“ und zum „Taugenichts“ wird anhand vieler Korrekturen der mühsame Entstehungsprozess der Texte deutlich. Die dunkle Seite der Romantik verkörpert Mary Shelleys Schauerroman „Frankenstein: or The modern Prometheus“ aus den Jahren 1818 und 1831.
Zwar ist Caspar David Friedrich mit zwei Gemälden in der Ausstellung vertreten, sein Hauptwerk „Mönch am Meer“, das der Künstler Franz Erhard Walther, Goldener-Löwe-Preisträger der Biennale Venedig, kürzlich als Beginn der Moderne in der Malerei einstufte, verblieb in Berlin. Es wird durch einen Essay lebendig, in dem sich Achim von Arnim und Clemens Brentano bei der Ausstellung 1810 mit dem Bild auseinandersetzten, da es die klassischen Sehgewohnheiten auf den Kopf stellte. Die beiden Autoren sind auch mit ihrer Liedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ und ihrer Schiffsreise auf dem Rhein präsent; Clemens Brentano darüber hinaus mit seiner umfangreichen Materialsammlung, mit dem er das Leben einer stigmatisierten Nonne mehrere Jahre lang dokumentierte.
Selbst kreativ werden
Das Romantik-Museum lädt ebenso dazu ein, selbst kreativ zu werden. Ausgehend von Friedrich Schleiermachers Arbeiten zur Übersetzungstheorie können Besucher am Computer Gedichte in englischer, französischer und italienischer Sprache ins Deutsche übersetzen, aus einer Wörterauswahl von Eva Demski an einer Magnetwand selbst Gedichte schaffen oder am Schluss der Ausstellung neben dem großformatigen Gemälde einer der letzten Vertreterinnen der Romantik, Bettine von Arnim, eigene Gedanken zur Romantik für eine große Pinnwand formulieren.
Das Deutsche Romantik-Museum, das im Spätsommer letzten Jahres eröffnet wurde, ist ein Zeichen bürgerschaftlichen Engagements. Neben der öffentlichen Hand förderten über 1.500 Einzelspender, darunter zahlreiche Institutionen und Persönlichkeiten aus der Finanzindustrie, das Projekt mit rund 9 Mio. Euro. Mehr Informationen zum Museum und zu einem Besuch unter www.deutsches-romantik-museum.de
Text und Fotos: Dr. Wolfgang Gerhardt. Fotografiert im Freien Deutschen Hochstift/Deutschen Romantik-Museum