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FIRM: Risikomanager Grasshoff bescheinigt Banken Resilienz

Die Verwerfungen im Schweizer und US-Bankenmarkt haben Befürchtungen einer neuen Finanzkrise heraufbeschworen. Das Risiko ist nach Einschätzung von Gerold Grasshoff, CEO des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung (FIRM), zwar gegeben. Doch hält er die Banken für deutlich resilienter als 2007/2008. Sorge bereitet ihm, dass Social Media Mittelabflüsse beschleunigt.

Die jüngsten Bankenbeben in der Schweiz und den USA offenbaren die Risiken, die dem Finanzsektor auch rund 15 Jahre nach der Finanzkrise innewohnen. Diese und insbesondere die Rolle, die Social Media dabei spielt, sollten nicht unterschätzt werden, befindet das Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) in einem Positionspapier. Es hält die Finanzinstitute allerdings für wesentlich robuster als 2007/2008. „Wir sind deutlich besser vorbereitet, was die Resilienz des Finanzsystems angeht“, sagt FIRM-Vorstandsvorsitzender Gerold Grasshoff zur Börsen-Zeitung. Er hat den Bericht „Bracing for Impact: Analysis of the Current State of the Banking Industry“ zusammen mit Til Bünder verfasst.

Grund für Optimismus

Die Kapitalquoten der Banken sind nach Aussage Grasshoffs nun höher, die Liquiditätsvorschriften besser. So sei beispielsweise die harte Kernkapitalquote der europäischen Banken im Zuge der Basel-III-Vorschriften im Schnitt von rund 10% im Jahr 2008 auf aktuell circa 15% gestiegen. Es bestünden zudem bessere Stresstestmethoden und Möglichkeiten, Portfolien zu steuern. „Das aber vermutlich Wichtigste ist“, unterstreicht Grasshoff, „dass Aufsichtsbehörden besser mit Krisen umgehen können. Dies und die Fähigkeit, Dinge besser zu analysieren und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, sind Gründe für Optimismus.“

Auch wenn die Banken insgesamt besser vorbereitet für Krisen seien, so seien sie nicht immun. Sorge bereite etwa der gewerbliche Immobilienmarkt angesichts von Marktkorrekturen und schwindender Marktliquidität. Als herausfordernd bezeichnet FIRM außerdem die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und die Möglichkeit der Ausweitung des Konflikts, wachsende Spannungen und Handelsbeschränkungen zwischen China und westlichen Staaten, ein Wiederaufleben der Eurokrise wegen untragbar gewordener Staatsschulden sowie potenziell starke Kapitalabflüsse aus Schwellenländern im Zuge der Zinserhöhungen der US-Notenbank.

Ein solches, breiteres Gefahrenspektrum sollten Aufseher und Regulierer in künftigen Stresstests und Banken stärker in ihrem Risikomanagement berücksichtigen, schlagen die FIRM-Autoren vor. Auch müssten sie prüfen, wo Regulierung konsequent umgesetzt wird und wo nicht. „Einfach mehr oder neu zu regulieren, ist jetzt kein guter Reflex.“ Es sei davon auszugehen, dass Aufsichtsbehörden bestehende Instrumente stärkten und sich etwa auf die Umsetzung von Basel III konzentrierten, das Liquiditätsmanagement der Banken besser überwachten und Abwicklungspläne einem Realitätscheck unterzögen. “Sind beispielsweise Abwicklungspläne realistisch oder in Stresssituationen schließlich doch nicht belastbar?“, gibt Grasshoff zu bedenken. Banken seien gut beraten, ihre Compliance-Strukturen zu stärken, die Geldwäschebekämpfung zu intensivieren und ihre Vermögenswerte einer umfassenden Risikobewertung zu unterziehen.

Die Bankenbeben der vergangenen Monate mit der Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS und dem Zusammenbruch von Silicon Valley Bank und Signature Bank in den USA führt FIRM auf eine unheilvolle Entwicklung mehrerer Faktoren zurück. Hätten die US-Institute einen hohen Anteil an unbesicherten Einlagen mit konzentrierter Kundenbasis aufgewiesen, was im Angesicht der rapiden Zinsanhebungen der Notenbank zu Verwerfungen geführt habe, so sei es im Fall der Schweizer Großbank eine lange Historie an Compliance-Verfehlungen gewesen.

Mit billigem Geld gefüttert

Nie zuvor in den vergangenen 40 Jahren seien die Zinssätze als Reaktion auf den Inflationsdruck so rasch angestiegen wie seit 2022: um 5% binnen eines Jahres. „Die hohe Geldmenge und die daraus resultierende Inflation sowie der rapide Zinsanstieg sind etwas Neues. Das führt typischerweise zu Stress im Finanzsystem”, berichtet Grasshoff. Banken seien von 2007 an mit billigem Geld gefüttert worden. Die Bilanzsummen der Zentralbanken schwollen seitdem um ein Vielfaches an. Zudem schnürten Staaten in der Coronakrise umfangreiche Hilfspakete, die in Deutschland 35% des Bruttoinlandsprodukts erreichten. Kritisch sei die Situation dann mit dem Ukraine-Krieg geworden, infolge dessen die Energiepreise explodierten und ohnehin angespannte Lieferketten brachen. Die darauf folgenden rasanten Zinsanhebungen der Notenbanken führten zu Wertverlusten von Wertpapieren im Eigenbestand der Banken und Abwertungen von Kreditportfolios. Einlagenzinsen gingen in die Höhe, derweil Zinsfestschreibungen die Kreditzinsen stabil hielten, was die Zinsüberschüsse mancher Banken zunächst unter Druck setzt. Für einige sei so eine explosive Mischung entstanden, die einen Vertrauensverlust unter Kunden und Investoren und rapide Liquiditätsabflüsse hervorrief, wie sie in den USA und der Schweiz zu beobachten waren.

Besonders treibt Grasshoff die Rolle um, die Social Media in diesem Kontext spielt. „Wenn Einleger über hohe Depositen verfügen, bei anderen Banken aber höhere Zinsen erhalten können und dazu noch Zweifel an der Krisenfestigkeit der eigenen Bank besteht, dann kann es zu sehr schnellen Mittelabflüssen kommen. Das ist etwas Neues im Zeitalter von Sozialen Medien. Der Bank Run ist dann eher ein Bank Sprint.“ Der FIRM-CEO rät eindringlich, eine grundlegende Diskussion darüber zu führen, “ob wir dieses Phänomen begriffen haben” und ob die Tools aus dem alten Werkzeugkasten im Risikomanagement dafür noch geeignet sind.


Quelle: FIRM via Börsen-Zeitung

 

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