Zum zehnten Mal hat FIRM renommierte Forscher und zahlreiche Vertreter und Vertreterinnen aus der Finanzindustrie zur kritischen Diskussion über aktuelle Risikomanagementthemen geladen. Rund 50 Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben sich in diesem Jahr beteiligt; es wurden sechs Studien und Papers vorgestellt.
Den Auftakt machte FIRM-CEO Gerold Grasshoff, der eine aktuelle Analyse zur Finanzmarktstabilität vorstellte, die FIRM gemeinsam mit Boston Consulting durchgeführt hatte. Es folgten Dr. Peter Bednarek, Deutschen Bundesbank, mit einem Paper zu den realen Auswirkungen von Wechselkursentwicklungen. Dr. Henning Dankenbring und Tim Breitenstein (beide KPMG) präsentierten eine Umfrage zu Zinsrisiken im Bankenbuch. Prof. Florian Heider von SAFE widmete sich dem erweiterten Bankbilanzkanal der Geldpolitik, Prof. Peter Tillmann von der Universität Gießen berichtete über das FIRM-geförderte Projekt „Schattenbanken, Geldpolitik und Finanzstabilität“. Schließlich skizzierte Prof. Michael Nietsch von der EBS die Lieferkettensorgfaltspflicht von Banken.
Auswirkung von Wechselkursen
Bednarek ging der Frage nach, wie sich Währungsabwertungen auf die Kreditvergabe von Banken auswirken und was dies für die Realwirtschaft bedeutet. Dazu untersuchte er mit einem Team der Bundesbank die Folgen der Euroabwertung im Jahr 2014: Die US-Zentralbank hatte den Ausstieg aus den Quantitativen Lockerungsprogrammen angekündigt, woraufhin der Euro relativ zum US-Dollar mehr als 20 % an Wert verlor.
Die Analysen zeigen, dass die Abwertung des Euro relativ zum Dollar die Solvenz von Banken, die vor der Abwertung mehr USD-Aktiva als Passiva in ihrer Bilanz hatten, verbessert hat. Die damit verbesserte Kreditvergabekapazität nutzten diese (typischerweise sehr großen) Banken nicht, um ihre Kreditvergabe direkt an realwirtschaftliche Unternehmen zu erhöhen. Stattdessen haben sie durch den Interbankenmarkt mehr Kredite an kleinere Banken, insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken, vergeben. Diese regional verankerten Institute haben die zusätzliche Liquidität genutzt, um ihr Kreditangebot vor allem an exportorientierte, realwirtschaftliche Unternehmen auszuweiten. Abschließend weisen die Studienergebnisse auch darauf hin, dass Unternehmer, die von diesem zusätzlichen Kreditangebot profitiert haben, wiederum ihre Investitionen erhöhten. Dies hatte letztlich positive Effekte auf das regionale Wirtschaftswachstum.
Insgesamt zeigt unsere Studie, dass eine Währungsabwertung des Euro über das Bankensystem signifikant positive Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben kann. Dies gilt selbst dann, wenn nur ein kleiner Teil des Bankensystems davon direkt betroffen ist. Durch die Vernetzung über den Interbankenmarkt profitieren auch diejenigen Teile des Bankensystems von einer Abwertung, die wenig oder kein Fremdwährungsexposure haben. Dies zeigt, dass das deutsche Bankensystem in der Lage ist, effizient Liquidität dorthin zu leiten, wo sie gebraucht wird.
Neue Anforderungen für Credit Spread Risiken
im Bankbuch
Mit den Zinsänderungsrisiken im Bankbuch beschäftigten sich Henning Dankenbring und Tim Breitenstein von KPMG. Der rapide Zinsanstieg und neue regulatorische Anforderungen zum Credit-Spread-Risiko begründen, warum sich Banken intensiver als zuvor mit diesen Risiken beschäftigen müssen. Eine Umfrage unter rund 50 Banken aus zehn europäischen Ländern gibt den Status quo gut wieder. Vor allem die neuen Anforderungen an ein umfassendes aufsichtsrechtliches Reporting in hoher Granularität werden derzeit als große Herausforderung gesehen. Für eine umfassende Erhebung von zinsbedingten Ertragsrisiken sind auch Modellierungen von Einlagen erforderlich. Die sehr komplexen Analysen erfordern neben validen Datenreihen auch aktuelle Experteneinschätzungen. Zudem muss jede Bank prüfen, inwieweit Modelle aus der Niedrigzinswelt auf das aktuelle Umfeld übertragbar sind, und welche Anpassungen vorgenommen werden sollten.
Besonderes Augenmerkt gilt den Credit Spreads im Bankbuch: Wie wirkt deren Veränderung auf Barwert und Gewinn einer Bank? Hierzu ist zu prüfen, auf welche Positionen der Bank Spreadveränderungen Einfluss nehmen. Da es bislang keine etablierten Marktstandards gibt und es an klaren Vorgaben seitens der Aufsicht mangelt, stehen Banken aktuell vor besonderen Herausforderungen. Dies zeigen auch die Ergebnisse der Umfrage: Es lassen sich keine eindeutigen Ergebnisse ableiten, welche Positionen seitens der Banken als besonders sensitiv eingestuft werden. Hier ist zu erwarten, dass sich in den nächsten Jahren „Best Practices“ im Zusammenspiel von Banken und Aufsicht herausbilden werden.
Geldpolitik und Kreditvergabe
Florian Heider vom Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE ging in seinem Vortrag der Frage nach, wie Geldpolitik auf die Bankenkreditvergabe wirkt und wie dieser Transmissionsprozess in Niedrigzinsphasen funktioniert. Dazu hat er mit einem Team aus Forschern und EZB- bzw. Zentralbankvertretern untersucht, welche Auswirkungen die Zinssenkungen der EZB im Jahr 2014 auf die Kreditvergabe in der Eurozone hatten. Die Heterogenität innerhalb der EU war dabei von großem Vorteil, weil der Transmissionsmechanismus zeitgleich für Hoch- und Niedrigzinsländer untersucht und somit die Unterschiede in der Wirkung bei sonst sehr ähnlichen Bedingungen gezeigt werden konnten.
Für die Studie wurden Deutschland stellvertretend für Niedrigzinsländer in Kerneuropa und Portugal, dessen wirtschaftliche Entwicklung sich erst nach 2014 deutlich verbesserte, für die Hochzinsländer in der Peripherie gewählt. Daten wurden über die Kreditregister der Länder und die Bankbilanzen erhoben. Betrachtet wurde der Zeitraum unmittelbar vor und nach der EZB-
Zinssenkung 2014.
Es zeigt sich, dass im Hochzinsumfeld eine normale Weitergabe der Zinssenkung bei der Kreditvergabe erfolgt, da gleichzeitig auch die Einlagenzinsen gesenkt werden. Banken mit starken Bilanzen bieten in dieser Phase mehr Kredite an, da sie sich günstiger refinanzieren können. Die Risikobereitschaft der Banken steigt nicht. Im Niedrigzinsumfeld werden Zinssenkungen dagegen nur mit Einschränkungen an Kreditnehmer weitergereicht, da die Einlagenzinsen nicht unter null gesenkt werden. Es kommt nicht zu einer Ausweitung des Kreditangebots. Zu beobachten ist aber, dass die Risikobereitschaft von Banken steigt. Heider betonte, dass der traditionelle Transmissionsprozess über den Bankbilanzkanal in Phasen niedriger Zinsen an Grenzen stößt und daher über die Einlagenseite erweitert werden sollte. Das Transmissionsmodell repräsentiert die Art und Weise, wie Geldpolitik auf die Wirtschaft wirkt – auch wenn Effekte je nach Zinsregime unterschiedlich sind.
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Quelle Text und Bilder: FIRM Newsletter 2023, Aufgabe 4, Seiten 1-3