Frankfurt am Main war schon im 19. Jahrhundert eines der wichtigsten urbanen Zentren in Deutschland. Politisch gehörte Frankfurt seit dem Wiener Kongress 1815 unabhängig als Freie Stadt zum Deutschen Bund und war zugleich Sitz der Bundesversammlung. Wirtschaftlich hatten Messe, Börse und Banken ein Handels- und Finanzzentrum mit internationalen Verflechtungen geformt. Geographisch bestätigte nicht zuletzt die Eisenbahn die zentrale Lage Frankfurts. Zudem sprang der Reformfunke der Februarrevolution 1848 in Frankreich schnell über: Die Forderungen nach freiheitlichen Rechten trafen in Frankfurt auf fruchtbaren Boden.
Ein Meer von schwarz-rot-goldenen Fahnen
So war es wenig überraschend, dass Frankfurt zum Tagungsort für die erste gewählte Nationalversammlung in Deutschland wurde. Der Kaisersaal im Römer war zu klein, und so stellte die evangelische Gemeinde die Paulskirche zur Verfügung, die erst 1833 als evangelische Hauptkirche in Frankfurt eingeweiht worden war und über 2000 Menschen Platz bot. Am 18. Mai 1848 zogen die ersten Abgeordneten in einem von schwarz-rot-goldenen Fahnen gesäumten Frankfurt unter Jubel, Glockengeläut und Böllerschüssen in die Paulskirche ein, wie zeitgenössische Quellen berichten.
Wenige hundert Meter von der Paulskirche entfernt zeichnet jetzt im Karmeliterkloster eine Ausstellung des Instituts für Stadtgeschichte unter dem Titel „Auf die Barrikaden! Paulskirchenparlament und Revolution 1848/49 in Frankfurt“ diese Zeit nach. Allerdings verblasste die Euphorie der ersten Wochen leider schnell. 400 bis 450 Parlamentarier trafen sich fast täglich zu mehrstündigen Sitzungen im Plenum sowie zu Ausschuss- und Fraktionssitzungen. Es vertieften sich die inhaltlichen Gräben, und eine Flut von Anträgen und Petitionen hemmte das Vorankommen.






Der Septemberaufstand als Wendepunkt
Am 18. September 1848 kam es zu gewalttätigen Unruhen in der Stadt. An gut 50 Barrikaden wurde erbittert gekämpft, mehr als 50 Soldaten und Aufständische kamen ums Leben. Zwei Abgeordnete wurden ermordet. Die Parlamentarier mussten sich insbesondere mit preußischen und österreichischen Truppen gegen den Umsturzversuch der außerparlamentarischen Opposition schützen. „So wurde der Aufstand zu einem Wendepunkt der Revolution. Er machte den Paulskirchenabgeordneten ihre eigene Machtlosigkeit bewusst“, stellt Mitkurator Dr. Thomas Bauer fest.
Die Abgeordneten der Nationalversammlung verabschiedeten zwar im Winter 1848/49 die „Grundrechte des deutschen Volkes“ und die „Reichsverfassung“. Im Mai 1849 kam die Parlamentsarbeit jedoch zum Erliegen; militärischer Druck bereitete einen Monat später einem Rumpfparlament in Stuttgart das Ende.
Stadtplan, Objekte und historische Filme
In der Mitte des Ausstellungsraums visualisiert ein vier Quadratmeter großer Stadtplan 33 ausgewählte Orte der Revolution. Die Besucherinnen und Besucher können zentrale Orte der Debatten, Treffpunkte der Fraktionen, Wohnorte der Parlamentarier, insbesondere aber die Orte und den Verlauf des Septemberaufstandes nachvollziehen.
Zahlreiche Objekte lassen zudem die Revolutionszeit greifbar werden: Dazu zählen eine rot-goldene Armbinde, Burschenschaftsbänder, eine große Trommel, Zugangskarten und Stimmzettel der Abgeordneten, Hampelmänner zur Verhöhnung der Parlamentarier, Pistolen, Säbel und Gewehre sowie die Totenmaske des ermordeten Abgeordneten Felix von Lichnowsky. Historische Filmaufnahmen dokumentieren die Rolle der Paulskirche.




Die Nachwirkungen der Revolution
Die „gescheiterte“ Revolution wirkte jedoch nach: Die Entscheidung von 1871 zu einem Kaiserreich unter preußischer Führung ohne Österreich hatte sich bereits in der Nationalversammlung als Idee konkretisiert. Den nachhaltigsten Einfluss hatte der Katalog der Grundrechte, der den Verfassungen von Weimar 1919 und Bonn 1949 als Vorbild diente. „So fußt unsere Demokratie auf dem Verfassungswerk der Frankfurter Nationalversammlung“, erinnert Kurator Dr. Markus Häfner.
Die Paulskirche wurde zwar im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört, nach einer deutschlandweiten Spendenaktion bereits am 18. Mai 1948 wieder eröffnet. Die Umgestaltung des Innenraums im Stil der Nachkriegszeit blieb bei einer weiteren Renovierung Ende der achtziger Jahre erhalten. Die Paulskirche präsentiert sich in „nüchterner Strenge“ und enthält nur ein einfaches Gestühl, Rednerpult, Empore und Orgel. Zwischen den Fenstern hängen die Fahnen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesländer.
Als Raum des gesprochenen Wortes wird die Paulskirche heute nur zu festlichen Veranstaltungen genutzt, die über den politischen Alltag hinausragen. In ihr wird seit 1951 die höchste geistige Auszeichnung des Landes, der Friedenspreis des deutschen Buchhandels, verliehen.
Informationen zu Paulskirche und Ausstellung
Im Jubiläumsjahr 2023 wird es neben zahlreichen weiteren Veranstaltungen ein Bürgerfest vom 18. bis 21. Mai 2023 geben. Am 18. Mai abends wird eine „Ode an die Demokratie“ am Main präsentiert. Die Ausstellung „Auf die Barrikaden! Paulskirchenparlament und Revolution 1848/49 in Frankfurt“ ist bis zum 18. September 2023 geöffnet. Der Eintritt in die Ausstellung und die Paulskirche sind frei. Öffnungszeiten und weitere Informationen finden Sie auf den folgenden Seiten:
Text und Fotos: Dr. Wolfgang Gerhardt
Foto Friedenspreis: Stadt Frankfurt/Holger Menzel