- Inflation hat ihren Höhepunkt hinter sich gelassen, bleibt jedoch zu hoch.
- Weltwirtschaft wächst wieder, aber flacher.
- Deutschland: Rezession wird überwunden, langfristige Probleme bleiben.
- Anleihen sind zurück: Wettbewerb zwischen Dividende und Zins ist eröffnet.
Vorsichtig optimistisch blicken die Volkswirte der DekaBank in das neue Jahr. Für 2023 rechnen sie mit einem globalen Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent. „Das weltweite Wachstum wird in den kommenden Jahren zwar niedriger ausfallen, als wir es in den vergangenen drei Jahrzehnten gewohnt waren, wir bleiben jedoch auf dem Wachstumspfad“, sagt Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Für Deutschland rechnet er mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von -0,7 Prozent. Bereits ab Mitte des Jahres sollte die Konjunktur aber an Fahrt gewinnen, so dass die Wirtschaft 2024 insgesamt wieder ins Plus dreht. „Die Rezession wird nicht so ausgeprägt ausfallen, wie dies von vielen noch im Herbst befürchtet wurde“, sagt Kater. Die deutsche Wirtschaft sei sehr anpassungsfähig. Dies habe sie schon während der Corona-Jahre 2020 und 2021 unter Beweis gestellt. Auch wenn der kommende Winter milde verlaufen sollte, werden die Probleme jedoch nicht verschwinden: „Um ohne russische Lieferungen auszukommen, muss über das gesamte Jahr 2023 an Gas so eingespart werden, wie dies in diesem Winter geschieht“, stellt der Chefvolkswirt dar. Die Preise für Energie werden in Deutschland mittelfristig höher bleiben, als dies vor dem Krieg in der Ukraine der Fall war.
Eine flächendeckende De-Industrialisierung in Deutschland sieht Kater zwar nicht, wohl aber ein Erlahmen des Wachstums, wenn die Standortbedingungen nicht aktiv verbessert werden. „Deutschland und Europa müssen generell aufpassen, nicht vom weltweiten Wachstumszug abgehängt zu werden“, so die Einschätzung der Deka-Volkswirte. Die unmittelbar mit der bisherigen Inflation verbundenen Einkommensminderungen könnten bis 2026 wieder aufgeholt werden.
Spitze der Inflation überwunden
Auf Seiten der Notenbanken haben sowohl die amerikanische als auch die europäische Zentralbank nach ihrem anfänglichen Zögern bei der Inflationsbekämpfung nicht zuletzt durch „Jumbozinsschritte“ Glaubwürdigkeit an den Kapitalmärkten zurückgewonnen. Darüber hinaus hat die US-Notenbank Fed bereits aktiv Anleiheverkäufe im Wert von rund 300 Mrd. US-Dollar angestoßen. „In den USA haben wir die Spitze der Inflation überwunden, in Europa steht sie unmittelbar bevor. Die Teuerung wird zwar deutlich zurückgehen, aber wird weiterhin über den angestrebten Zielen von zwei Prozent der Notenbanken bleiben“, prognostiziert Kater. Die Ursachen für die hohe Inflation sieht er einerseits in einer bereits 2021 eingeleiteten Überstimulierung der weltweiten Güternachfrage und durch überdimensionierte Fiskalprogramme während der Corona-Pandemie sowie andererseits durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der allein für etwa die Hälfte der aktuell extrem hohen Inflationsraten verantwortlich sei.
Die Volkswirte der DekaBank rechnen für Mitte 2023 im Euroraum mit einem Geldmarktsatz von 2,75 Prozent und in den USA von 4,75 bis 5,00 Prozent. Die Kernfrage laute jetzt: Reichten die angedeuteten Maßnahmen der Notenbanken, die Inflation in den Griff zu bekommen, oder müssten die Notenbanken noch einmal nachlegen: „Es gibt gute Argumente dafür, dass die zu erwartende Straffung der geldpolitischen Zügel ausreichend ist, um die Inflation im Zaum zu halten“, so Kater. Es gäbe keine einzelne Größe, an der man ablesen könne, wann es gut sei, denn das werde an einer breit basierten Einschätzung des Inflationsbildes im kommenden Jahr bemessen. Eine Rückkehr zu einer Null- oder gar Negativzinsphase sieht Kater allerdings auf längere Zeit nicht: „Die Zinsen sind zurückgekommen, um zu bleiben.“
Dies hat auch Auswirkungen auf die Spartätigkeit der privaten Haushalte, die sich insgesamt gar nicht so schlecht darstelle. Zwar hätten einkommensschwächere Haushalte Probleme, finanziell über die Runden zu kommen und auch bei wohlhabenderen Haushalten ginge die Sparleistung vielfach zurück. Dies drücke sich insgesamt in einer vom langjährigen Durchschnitt von 10,2 auf 9,4 Prozent gesunkenen Sparquote aus. Allerdings: „Das bedeutet, dass in Deutschland immer noch für jedes Quartal Geldvermögen in Höhe von etwa 70 Mrd. Euro neu geschaffen wird.“
Rentenmärkte blicken auf historischen Crash zurück
„Die Kapitalmärkte sind im Würgegriff der Notenbanken“, kommentiert Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie der DekaBank, die Situation an den Kapitalmärkten. Daran werde sich seiner Meinung nach in naher Zukunft auch nichts ändern. „Die Notenbanken haben auf ganzer Linie einen Politikwechsel vollzogen, der weit über das Jahr 2023 hinausragen wird“, betont Schallmayer. Allerdings sei das Zinshoch im Euroraum in „greifbare Nähe“ gerückt, während es in den USA bereits überschritten worden sei. „Das neue Umfeld wurde in Rekordgeschwindigkeit an den Kapitalmärkten eingepreist und das Experiment negativer Zinsen gehört jetzt endgültig der Vergangenheit an“, sagt Schallmayer. Rückblickend stellt er fest: „Es gab 2022 keine Möglichkeit, sich dem veränderten Zinsumfeld zu entziehen.“ So verzeichneten selbst kurzlaufende Staatsanleihen Verluste. Aus heutiger Sicht hätten sich die Ertragsaussichten für die kommenden Jahre jedoch deutlich verbessert. Es ist mit dauerhaft höheren Zinsen zu rechnen. „Die große Niveauanpassung liegt zurück und die höheren Zinskupons reduzieren die Schwankungen. Das verbessert die Ertragsperspektive dieser Anlageklasse“, sagt Schallmayer.
Für die Bewertung von Unternehmensanleihen kommt es neben der Einschätzung der allgemeinen Zinsentwicklung auch auf die Einschätzung der Spreadniveaus an. „Wir rechnen mit einem milden Konjunkturrückgang“, sagt Schallmayer und argumentiert, dass aus fundamentaler Sicht bei Unternehmensanleihen, insbesondere im High-Yield-Bereich, mittlerweile ein sehr gutes Risiko-Renditeverhältnis erreicht worden sei. Wichtig sei aber gerade in diesem Segment die aktive Titelselektion und breite Streuung.
Das Jahr 2022 wird sicherlich nicht als gutes, aber auch nicht als ein gravierend schlechtes Aktienmarktjahr in Erinnerung bleiben, so die Einschätzung der DekaBank. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat zu einer großen Verunsicherung beigetragen, für die Kapitalmärkte war die Zinswende der überragende Einflussfaktor. „Die Dominanz der Zinsbewegungen auf dem Aktienmarkt lässt sich sehr gut in einzelnen Aktiensegmenten ablesen“, zeigt Schallmayer auf. So habe sich die seit Jahren zu beobachtende Outperformance von Wachstumsaktien gegenüber Substanztiteln umgekehrt. „Mit den abrupt gestiegenen Zinsen wurde neben dem Wachstumsausblick der Growth-Aktien auch deren hohe Bewertung in Frage gestellt“, begründet er die Kursverluste insbesondere von Tech-Aktien aus den USA.
Niedrige Aktienbewertung ist Trumpf
In Deutschland, Europa und den Schwellenländern notierten Aktien – gemessen an ihren erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV) – zum Jahresanfang 2022 über den historischen Durchschnittswerten. Die Kursrückgänge im Jahresverlauf bei insgesamt stabilen bis leicht gestiegenen Unternehmensergebnissen haben die Bewertungen zwischenzeitlich spürbar sinken lassen. Bis auf die USA, wo vor allem die Bewertungen im Technologiebereich noch Anpassungsbedarf nach unten haben, sind die Aktienmärkte aktuell moderat bis günstig bewertet. „Eine niedrige Bewertung legt die Basis für den langfristigen Anlageerfolg“, sagt Schallmayer. Wichtig ist jetzt, dass die Unternehmensgewinne nicht zu stark belastet werden. Bislang hätten die Unternehmen dem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld gut standgehalten. Dies sei einer stabilen Nachfrage – bei einem stellenweise begrenzten Angebot – und der gestiegenen Inflation zu verdanken, die die Umsätze vieler Unternehmen deutlich habe anwachsen lassen. Allerdings geht Schallmayer davon aus, dass das schwierige realwirtschaftliche Umfeld zunehmend auch Bremsspuren in den Ergebniszahlen der Unternehmen hinterlassen werde.
Der Konsensus der Analysten rechnet mit zu optimistischen Gewinnanstiegen. Schallmayer erwartet 2023 maximal eine Stagnation der Gewinne auf dem diesjährigen Niveau. Wahrscheinlicher sei aber ein Gewinnrückgang im niedrigen bis hohen einstelligen Prozentbereich. „Neben einer schwächelnden Nachfrage schlagen die Preissteigerungen jetzt bei den Unternehmen durch und betreffen nicht mehr nur Rohstoffe, sondern zunehmend auch Arbeitskosten“, sagt Schallmayer. Auf Indexebene seien es vor allem die in den USA schwergewichtigen IT-Unternehmen, welche die Gewinndynamik belasteten. Dies werde gleichwohl durch die Sonderkonjunktur bei den ebenfalls schwergewichtigen Energietiteln überkompensiert. In der Summe hält Schallmayer die Sorgen vor einem massiven Einbruch der Gewinne für übertrieben, die Unternehmen durchlaufen eine Schwächephase, aber keine globale Rezession.
Aktien bleiben attraktiv nicht zuletzt aufgrund der Dividenden
Eine leichte Gewinndelle bringt die Dividendenfähigkeit nicht in Gefahr. „Wir rechnen mit stabilen Ausschüttungen der DAX-Unternehmen“, sagt Kapitalmarktexperte Schallmayer. Allerdings hat die Dividende mit den gestiegenen Renditen, vor allen Dingen mit dem Segment der High-Yield-Anleihen, ernst zu nehmende Konkurrenz bekommen. „Über die kommenden zehn Jahre erwarten wir aus dem High-Yield-Bereich sogar einen etwas über den Aktien liegenden Gesamtertrag. Mit Unternehmensanleihen höchster Qualität liegt man allerdings weiter spürbar niedriger.“
„Für Anleger weitet sich das Anlageuniversum wieder deutlich aus“, sagt Schallmayer. Neben Aktien seien Anleihen wieder deutlich attraktiver geworden und so ist der Wettbewerb zwischen Dividenden und Zinsen wieder neu entfacht. Den DAX sieht der Kapitalmarktexperte Ende 2023 bei 14.000 Zählern, in etwa auf dem aktuellen Niveau.
Quelle: DekaBank Pressemitteilung vom 30.11.2022
Titelbild: Matt Duncan via Unsplash