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Bumerang-Effekt

Rückzahlungen und Rückforderungen könnten dazu führen, dass die staatlichen Corona-Hilfsgelder für „viele Unternehmen zum Bumerang“ werden, berichtete die WirtschaftsWoche Ende September. „Die vollen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Bilanzen der Banken sind nur schwer absehbar“, sagt Dr. Christian Thun, CEO des European DataWarehouse.

Zu Beginn der Covid-19-Pandemie fragten sich viele, ob nach einer Wirtschaftskrise eine Bankenkrise folgen könnte. Groß war die Sorge um Unternehmen aus besonders betroffenen Branchen wie der Gastronomie oder dem Einzelhandel. Staatliche Hilfen verhinderten in vielen Fällen zunächst Liquiditätsengpässe bei den Unternehmen und Kreditausfälle bei den Banken. Doch seit Kurzem fließen Hilfsgelder in Form von freiwilligen Rückzahlungen und Rückforderungen an den Staat zurück und könnten für „viele Unternehmen zum Bumerang“ werden, wie die WirtschaftsWoche Ende September berichtete.

Dr. Christian Thun, CEO des European DataWarehouse

Dr. Christian Thun, CEO des European DataWarehouse

„Die vollen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Bilanzen der Banken sind nur schwer absehbar. Die Krise hat indes europaweit ihre Spuren in der Performance von Kreditportfolien hinterlassen. Tausenden von Kreditnehmern wurden Stundungen eingeräumt und nicht alle konnten ihre Zahlungsverpflichtungen wieder aufnehmen“, sagt Dr. Christian Thun, CEO des European DataWarehouse, im Interview mit Frankfurt Main Finance.

Herr Dr. Thun, noch immer gibt es kein einheitliches Bild, wie sehr Kreditinstitute durch Corona-bedingte Zahlungsausfälle von Unternehmen betroffen sind. Eine Vielzahl von Informationen über Kreditausfälle in Europa laufen im European DataWarehouse zusammen. Können Sie den beschriebenen Bumerang-Effekt bereits in den Daten erkennen?

Die Kreditdaten, die vom European DataWarehouse zusammengetragen werden, geben einen guten – wenn auch nicht vollständigen – Einblick in die Performance der Kreditportfolien europäischer Banken. Dabei hat sich während der ersten Coronawelle im Jahr 2020 gezeigt, dass viele Ausfälle vermieden werden konnten, indem die Banken sehr umfangreiche Stundungen eingeräumt haben bzw. indem die Regierungen die Kreditnehmer direkt mit Zahlungen unterstützt haben. Ende 2021 und Anfang 2022 laufen diese Stundungen bzw. Fördermittel aus und die Kreditnehmer werden die Zahlungen wieder aufnehmen müssen. Der beschriebene Bumerang-Effekt ist dabei aber vorerst ausgeblieben. Wann und in welcher Höhe er eintritt, ist eine der schwierigen Fragen für die kommenden Monate.

Welche Unterschiede gibt es in Bezug auf Kreditausfälle zwischen den einzelnen Ländern der Europäischen Union?

Die Zahl der Kreditausfälle ist europaweit tatsächlich während der Corona Pandemie recht stabil geblieben. Zum einen durch die staatlichen Hilfen und zum anderen durch die eingeräumten Stundungen seitens der Banken. Länder wie die Niederlande, Frankreich oder Deutschland wiesen dabei deutlich niedrigere Hilfen von Seiten  der Banken auf im Vergleich zu Ländern wie Portugal, Italien oder Irland.

Cumulative Implied Moratoria - EU and UK - European DataWarehouse

Woher stammen die Daten, die im European DataWarehouse zusammenlaufen?

Die Daten im European DataWarehouse werden im Rahmen der Offenlegung von Verbriefungstransaktionen erhoben. Emittenten sind dabei verpflichtet, Informationen über die zugrundeliegenden Kredite in standardisierter Form an ein so genanntes Verbriefungsregister zu melden, damit sich Investoren einen Überblick über die möglichen Risiken der Portfolien verschaffen können. Dieses Vorgehen ist eine Lehre aus der Finanzkrise, bei der die weitgehende Intransparenz über die Kreditportfolien wesentlich zur globalen Ausbreitung der Krise beigetragen hat. Das European DataWarehouse wurde daher im Jahre 2012 auf Betreiben der Europäischen Zentralbank von führenden europäischen Banken gegründet, um den europäischen Verbriefungsmarkt nach der Krise wieder zu beleben. Seit diesem Jahr hat die EU das Konzept des European DataWarehouse auf die gesamte EU ausgeweitet und die zu meldenden Informationen aktualisiert und z.B. um ESG-Daten ergänzt.

Inwiefern ist das European DataWarehouse auch ein ESG-Daten-Hub?

Seit dem Herbst 2020 sind Emittenten von Verbriefungen verpflichtet, zusätzliche Informationen über das Energieprofil einzelner Kreditarten zu melden. Das European DataWarehouse sammelt diese Informationen und stellt sie Investoren kostenlos zur Verfügung. Das European DataWarehouse wird also auch zu einem ESG-Daten Hub.

Sie stellen Ihre Daten anderen zur Verfügung. Inwiefern können Banken davon profitieren?

Die Daten beim European DataWarehouse bieten den Nutzern (z.B. Banken) umfangreiche Vorteile und Möglichkeiten. Nicht nur die Performance der eigenen Verbriefungstransaktionen und jene der Wettbewerber kann verfolgt werden, sondern die Daten über Zahlungsausfälle, Leistungsstörungen, Schadensquoten etc. können für das eigene Risikomanagement oder für die Entwicklung neuer Produkte genutzt werden.

Weiterführende Quellen

  • Álvarez, S., Hoyer N. & und Haerder, M. (24. September 2021). Millionen an Rückforderungen: Die Coronahilfen werden für viele Unternehmen zum Bumerang. WirtschaftsWoche. https://www.wiwo.de/politik/deutschland/millionen-an-rueckforderungen-die-coronahilfen-werden-fuer-viele-unternehmen-zum-bumerang/27643706.html
  • Schreiber, M. (6. Januar 2021). Näher an die Klippe. Süddeutsche Zeitung. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/banken-insolvenzen-corona-kreditausfaelle-1.5166648

Titelbild: Steven Wei via Unsplash

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