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„Nennt mich Rembrandt“

Eine außergewöhnliche Vielschichtigkeit zeichnet die große Rembrandt Ausstellung aus, die nunmehr bis zum 30. Januar 2022 im Städel in Frankfurt zu sehen ist. Sie zeigt Genialität und Willenskraft des weltberühmten Künstlers anhand von rund 60 Originalen.

Ihren besonderen Reiz bezieht die Schau aus dem Dialog mit Werken anderer Künstler und dem Blick auf die Verflechtungen von Kultur, Politik und Wirtschaft im „Goldenen Zeitalter“ der Niederlande.  Amsterdam war im 17. Jahrhundert Weltstadt. Die Niederlande hatten sich ihre politische Unabhängigkeit von Spanien erkämpft. Der globale Handel, nicht zuletzt mit dem damaligen Ost- und Westindien, florierte. Dieses Umfeld bildete den Nährboden für einen inspirierenden, aber hart umkämpften Kunstmarkt. Auf 650 Menschen kam ein Maler. Unmittelbar am Eingang zur Börse gab es eine Kunsthandlung, wie ein Gemälde in der Ausstellung belegt.

Selbstbildnis und Vorname als Markenzeichen

Der Untertitel der Schau „Durchbruch in Amsterdam“ wird verständlich, weil der junge Rembrandt Harmenzoon van Rijn nach Erfolg und Aufstieg strebte. Deshalb wechselte er aus seiner Heimatstadt Leiden nach Amsterdam. 1633 machte er seinen Vornamen zu seinem Markenzeichen. Fortan nannte er sich nur „Rembrandt“. 1634 wurde er Mitglied der Lukasgilde. So erlangte er das Recht, eine eigene Werkstatt aufzubauen. Eine Medaille war sein Ausweis – unscheinbar in einer Vitrine zu sehen.

Rembrandts Medaille der Lukasgilde
Rembrandts Medaille der Lukasgilde

Mehr als jeder andere Künstler seiner Zeit malte, radierte und zeichnete Rembrandt darüber hinaus Selbstbildnisse. Auch porträtähnlichen Kopf- und Ausdrucksstudien, sogenannten Tronies, verlieh er seine Gesichtszüge. So machte er sein eigenes Gesicht zum weiteren Markenzeichen seiner Kunst. Seine Schüler und Konkurrenten wiederholten und variierten diese Formen der Selbstdarstellung in vergleichbaren Rollen und Posen.

Ein grandioser Erzähler mit expressiver Bildsprache

Die Werke in der Ausstellung zeigen, dass Rembrandt die gesamte Bandbreite künstlerischer Themen beherrschte: Porträts Amsterdamer Bürgerinnen und Bürger, Szenen aus dem alten und neuen Testament und der griechischen Mythologie ebenso wie Landschaften und Stillleben.

Rembrandt setzte sich im Wettbewerb durch, denn seine Werke strahlen noch heute, nach fast 400 Jahren, Lebendigkeit, Natürlichkeit und Emotion aus. Mit Experimentierfreude, Detailreichtum, Licht und Schatten entwickelte Rembrandt seine einzigartig expressive Bildsprache. Der Kurator der Ausstellung im Städel, Dr. Jochen Sander brachte es auf den Punkt: „Rembrandts Bilder sind nie eindimensional. Er war ein grandioser Erzähler.“

Diese Stärke wird in zwei lebensgroßen Gemälden Amsterdamer Bürger deutlich, die in der Ausstellung nebeneinander hängen: Im Vergleich zu einem nüchternen und würdevollen Porträt des Malers Nicolaes Eliasz. Pickenoy brach Rembrandt mit seinem Bildnis des Andries de Graeff mit Konventionen, setzte auf physische Präsenz und Persönlichkeit des Porträtierten. Der reiche Bürger de Graeff lehnt in lässiger Pose an einem Sockel. Das zählte für Rembrandt mehr als Reichtum und Status.

Nicolaes Elisaz. Pickenoy, Bildnis eines stehenden Mannes, 1628; Rembrandt, Bildes eines stehenden Mannes (Andries de Graeff), 1639

Rembrandt rückte in den Mittelpunkt seiner Werke ein zentrales Geschehen und vermittelte mit Details weitere Botschaften. In der zwei mal drei Meter großen „Blendung des Simson“, einem Hauptwerk, das seit 1905 im Eigentum des Städel ist, malte Rembrandt einen der brutalsten Momente im Alten Testament mit schockierender Offenheit: das Ausstechen der Augen des Simson. Es ist zunächst ein biblisches Motiv. Rembrandt kleidete die Täter in spanische Rüstungen und osmanische Tracht und thematisierte so, welche fremden Mächte die Niederlande im 17. Jahrhundert am stärksten bedrohten.

Auf dem 30 mal 40 Zentimeter kleinen „Hundertguldenblatt“ mit dem predigenden Christus erweiterte er den Kreis der Zuhörer um Homer, Sokrates, Luther und Erasmus. In den wenigen Naturdarstellungen, wie der Radierung „Die drei Bäume“ oder die „Landschaft mit Steinbrücke“ machte er mit optischen Effekten Licht- und Wetterphänomene und Bewegung in der Natur greifbar.

Seine exponierte Stellung in Amsterdam verlor Rembrandt leider bereits zu seinen Lebzeiten: Mit seinem Spätwerk entfernte er sich vom aufkommenden Klassizismus, musste finanziell Insolvenz anmelden und starb 1669 in Armut.

Digitorial zum Kennenlernen der Schau

„Nennt mich Rembrandt“ wurde im Sommer bereits in der National Gallery of Canada in Ottawa gezeigt auf der Basis einer Kooperation, die vor fünf Jahren begründet wurde. Partner des Städel bei der Schau ist die ING Deutschland mit Sitz in Frankfurt und starken Verbindungen nach Amsterdam. Städel Direktor Philipp Demandt dankte der Bank für ihre „exzeptionelle Förderung“.

Informationen zu Ausstellung, Öffnungszeiten und Tickets finden sich hier. Ein Digitorial eignet sich mit seinem innovativen Storytelling zur Vorbereitung auf den Besuch.

Text und Fotos: Dr. Wolfgang Gerhardt.

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