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Klima- und Umweltrisiken bei der Kreditvergabe

Die Einbeziehung von Klima- und Umweltfaktoren in die Kreditvergabe ist eine komplexe und weitreichende Herausforderung für europäische Banken. Es geht um das Herzstück ihres Geschäfts – das Bilanzmanagement. Es gibt viel zu tun, und die Zeit ist knapp. In diesem Artikel werden die wichtigsten Auswirkungen für Banken vorgestellt und einige Schritte zur Bewältigung dieser Herausforderung vorgeschlagen.

Die europäischen Banken müssen bis Ende 2023 klima- und umweltbezogene Faktoren in ihre Kreditkalkulation integrieren und bis Ende 2024 alle Erwartungen der Europäischen Zentralbank (EZB) in Bezug auf Klima- und Umweltschutz erfüllen. Dies erfordert eine Umstellung der gesamten Bank, von oben nach unten. Insbesondere erwartet die EZB, dass die Kreditpreisgestaltung der Banken ihre Kreditrisikobereitschaft und ihre Geschäftsstrategie in Bezug auf C&E-Risiken widerspiegelt und dass die Komponenten der Kreditpreisgestaltung C&E-sensitiv sind. 

Die Zeit drängt also, und viele europäische Banken haben noch einen langen Weg vor sich. In der ersten Jahreshälfte 2022 hatten mehr als 40 Prozent der bedeutenden Institute (SI) und weniger bedeutenden Institute (LSI) noch immer keine Maßnahmen ergriffen, um C&E-Risiken in die Kreditbepreisung zu integrieren (siehe Abbildung 1). Eine aktuelle KPMG-Umfrage zum ESG-Risiko vom Mai 2023 zeigt, dass zwar weitere Banken beabsichtigen, sich mit diesem Thema zu befassen, einige jedoch noch keine Pläne haben.

Abbildung 1 - Reifegrad von C&E in der Kreditbepreisung

Anmerkung: Die Abbildung zeigt den Reifegrad der Banken bei der Integration von C&E-Aspekten in die Kreditvergabe, wobei 107 bedeutende, direkt von der EZB beaufsichtigte Banken und 79 weniger bedeutende, von ihren nationalen Behörden beaufsichtigte Banken berücksichtigt wurden.

Die neuen Anforderungen für die Integration von C&E in die Kreditvergabe stammen aus den EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und -überwachung und dem EBA-Bericht über das Management und die Überwachung von ESG-Risiken. Auch die EZB sieht C&E-Risiken als eine der wichtigsten aufsichtlichen Prioritäten an. Dies steht im Einklang mit der politischen Ausrichtung der EU auf ihr grünes Finanzpaket Fit-for-55, das darauf abzielt, die Emissionen in der EU bis 2030 erheblich zu reduzieren, wobei die zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Widerstandsfähigkeit und Kapazität des Finanzsystems zu berücksichtigen ist, da grün“ nicht unbedingt weniger Risiko bedeutet. Investitionen, einschließlich C&E-sensibler Kredite, werden eine entscheidende Rolle bei der Erreichung dieses Ziels spielen.

Was müssen die Banken also tun?
Rahmen für die Kreditvergabe und Bankstrategie

Die Geschäfts- und Risikostrategie der Banken muss im Einklang mit der C&E-Vision der Banken aktualisiert werden (z. B. die Ziele der einzelnen Banken zur Reduzierung der finanzierten Emissionen und zur Steigerung der grünen Finanzierungen), die die wirkungsorientierten und risikoorientierten Motivationen der Banken widerspiegeln. Diese C&E-bezogenen Aktualisierungen müssen dann in die Kreditpreisgestaltung integriert werden. In der Tat ist die risikosensitive Differenzierung bei der Kreditvergabe ein Instrument, das die Banken nutzen können, um ihre C&E-Vision zu operationalisieren – und ihre Portfoliozusammensetzung entsprechend auszurichten (siehe Abbildung 2). Die Herausforderung für die Banken besteht darin, diese wirkungsorientierten und risikoorientierten Motivationen in der Kreditbepreisung angemessen widerzuspiegeln, da die Annahme eines ausschließlich wirkungsorientierten Malus-/Bonus-Ansatzes unter Risikogesichtspunkten gefährlich sein kann.

Abbildung 2 - Strategische Entscheidungen der Banken in Bezug auf C&E

Anmerkung: Die Banken verfügen über verschiedene Instrumente, um die in ihrer Geschäfts- und Risikostrategie skizzierte Integration von C&E-Überlegungen zu operationalisieren. Eine differenzierte Kreditbepreisung ist eines dieser Instrumente.
In diesem Sinne ist es für Banken auch wichtig, ihr Wettbewerbsumfeld zu berücksichtigen. Es liegt im Ermessen der Geschäftsbereiche, die Margenkomponente der Kreditpreise je nach Marktlage zu ändern. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, bieten einige Geschäftsbereiche „grünen“ Kreditnehmern oder bestimmten „grünen“ Vermögenswerten Finanzierungen mit einem Abschlag an. Einige verlangen auch einen Aufschlag für „braune“ Unternehmen oder bei der Finanzierung „brauner“ Vermögenswerte. Im Zuge der Vergrößerung ihres grünen Marktanteils oder der Verringerung ihrer finanzierten Emissionen könnte eine differenzierte Preisgestaltung bei C&E – wenn sie nicht richtig vorgenommen wird – jedoch dazu führen, dass Banken übermäßige Risiken während des gesamten Zyklus eingehen oder Marktanteile an Wettbewerber abgeben, die immer noch bereit sind, Unternehmen zu finanzieren, die einen langsamen (oder gar keinen) Übergang von „braun“ zu „grün“ vollziehen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Preisgestaltung für Kredite stimmt, damit die Banken Marktanteile gewinnen können, ohne ihre langfristige Rentabilität zu gefährden. Schließlich muss auch das Zinsumfeld berücksichtigt werden. In den letzten Jahren ließen niedrige Zinssätze und ein harter Wettbewerb den Banken wenig Spielraum für eine Preisdifferenzierung, aber die derzeit höheren Zinssätze geben den Banken mehr Spielraum für eine Anpassung ihrer Kreditpreise – eine Gelegenheit, die es seit zehn Jahren nicht mehr gab.

Komponenten der Darlehenspreisgestaltung

Um herauszufinden, wie die unterschiedlichen Kostenauswirkungen von C&E-Risiken in die von der EZB erwarteten Kreditpreise einfließen können, ist es wichtig, die Margen- und Kostenkomponenten des Zinssatzes eines Bankkredits genau zu betrachten (siehe schematische Darstellung in Abbildung 3). Jede Komponente birgt ihre eigenen Herausforderungen, wenn es um die Integration von C&E-Faktoren geht.

Abbildung 3 - Komponenten der Darlehenspreisgestaltung (vereinfacht)

Anmerkung: Vereinfacht ausgedrückt, umfasst der Zinssatz des Kunden die Komponenten Marge und Kosten, während die Kosten weiter unterschieden werden können in Kreditrisikokosten, Kapitalkosten, Refinanzierungskosten und sonstige (z. B. administrative) Kosten.

Die Gewinnspanne ist die Komponente, auf die sich die meisten Institute mit einem differenzierten Rahmen für die Kreditvergabe konzentrieren, indem sie maßgeschneiderte Preise für „grüne“ Kredite (bei denen die Darlehenserlöse für Umweltzwecke zweckgebunden werden) oder nachhaltigkeitsgebundene Kredite (bei denen Kreditnehmern, die bestimmte Nachhaltigkeits- oder Übergangsziele erreichen, in der Regel niedrigere Zinsen in Rechnung gestellt werden) anbieten (siehe Abbildung 4). Das Angebot von Produkten wie nachhaltigkeitsgebundenen Krediten kann auch niedrigere Finanzierungskosten widerspiegeln, die sich aus einem Finanzierungsvorteil ergeben, der an grüne Vermögenswerte weitergegeben wird, die mit einer grünen Finanzierungsquelle verbunden sind.

Abbildung 4 - Illustration eines an die Nachhaltigkeit gekoppelten Darlehenspreismechanismus

Hinweis: Die Abbildung veranschaulicht den Mechanismus eines nachhaltigkeitsorientierten Kredits, bei dem ein Kunde einen günstigeren Kreditzins erhält, wenn er vordefinierte grüne Ziele erreicht (z. B. eine Reduktionsrate der Treibhausgasemissionen, die über einem vordefinierten Schwellenwert liegt). Wenn das grüne Ziel nicht erreicht wird, kehrt der Zinssatz auf das Basisniveau zurück.

Die Refinanzierungskosten müssen die Kosten für Verbindlichkeiten wie Einlagen, ausgegebene Aktien und Anleihen sowie Interbankenkredite widerspiegeln. Die Funds Transfer Pricing (FTP)-Rahmenwerke der Banken quantifizieren die Refinanzierungskosten in der Regel auf der Grundlage von Schätzungen des Liquiditätsrisikos und des Zinsrisikos. Da die Banken jedoch verstärkt grüne Einlagen und nachhaltigkeitsbezogene Verbindlichkeiten zur Finanzierung grüner und nachhaltigkeitsbezogener Kredite nutzen, müssen die FTP-Rahmenwerke geändert werden, um neue „grüne Preiskurven“ einzuführen, die den Vorteil der Finanzierung grüner Aktiva mit grünen Verbindlichkeiten widerspiegeln (siehe Abbildung 5). Dies wird zu einer Verringerung der Finanzierungskostenkomponente in den Kreditpreisen führen (siehe Abbildung 3).

Abbildung 5 - Illustration der FTP-Preiskurve

Anmerkung: Die Banken können neue grüne Preiskurven einführen, die in Bezug auf die Höhe der Spreads eher zu den bestehenden unbesicherten oder besicherten Kurven tendieren. Quelle: KPMG International, 2023

Die Kredit- und Kapitalkosten müssen eine Reihe von neuartigen C&E-Risiken widerspiegeln. Die Banken verwenden bei der Kreditbepreisung verschiedene Leistungskennzahlen wie die Eigenkapitalrendite (ROE), die risikobereinigte Eigenkapitalrendite (RAROE) und die risikobereinigte Rendite des risikobereinigten Kapitals (RARORAC). Diese Messgrößen beinhalten in der Regel kreditrisiko- und kapitalbezogene Elemente, wie z. B.: 

  • FRS 9 erwartete Kreditverluste (ECL) und CRR erwartete Verluste (EL) im Kontext der Kreditrisikokosten; und
  • Ökonomisches Kapital (ECap) und auf risikogewichteten Aktiva (RWA) basierende Schätzungen im Zusammenhang mit den Kapitalkosten

Die größten Herausforderungen bei der Integration von C&E-Risiken in diese Elemente über Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) und Verlustquote (LGD) sind zweierlei. Erstens müssen die Banken einen Ansatz entwickeln, um die Messung von C&E-Risiken in die konventionelle Risikodifferenzierung zu integrieren und dabei unterschiedliche Zeithorizonte zu berücksichtigen (z.B. Rating-Horizont versus IFRS 9 Lebenszeithorizont). Zweitens müssen die Banken das Problem der C&E-Daten lösen. Letztlich müssen die Banken sicherstellen, dass die Modelle und Prozesse die C&E-Risiken angemessen widerspiegeln, so dass eine Unter- oder Überbewertung von Krediten vermieden wird.

Nächste Schritte

Angesichts der Ambition der EU, ihre Fit-for-55-Vision bis 2030 zu erreichen, erwarten wir, dass sich die Aufsichtsbehörden in den nächsten zwei bis drei Jahren weiterhin intensiv mit klimabezogenen Risiken befassen werden – und dabei allmählich auch andere Umweltfaktoren wie das Naturkapital einbeziehen werden.

Die Banken stehen vor der großen Herausforderung, C&E-Risiken auf robuste und verlässliche Weise in ihre Kreditkalkulation zu integrieren, um die Transparenz von Kreditentscheidungen zu erhöhen. Viele Banken haben noch viel zu tun, um dem wachsenden Druck der Aufsichtsbehörden und anderer Interessengruppen gerecht zu werden. 

Unter Berücksichtigung der bereits erzielten Fortschritte sollten die Banken die Erstellung eines Fahrplans für die vollständige Integration von C&E-Faktoren in die Kreditbepreisung in Betracht ziehen. Dieser kann intern und in Absprache mit den Aufsichtsbehörden zur Planung, Überwachung und Kommunikation ihrer Fortschritte verwendet werden. Nach Ansicht der KPMG-Experten sollte ein übergeordneter Fahrplan die folgenden Hauptprioritäten der Banken widerspiegeln:

  1. Abstimmung der Preisgestaltung auf die Strategie: Sicherstellen, dass die Kreditpreisgestaltung die Geschäfts- und Risikostrategien der Bank unterstützt und ihr hilft, ihre C&E-Ziele zu erreichen.
  2. Ganzheitliche Integration anstreben: Integrieren Sie C&E-Faktoren in alle Kostenelemente der Kreditbepreisung (Kapital-, Kredit-, Refinanzierungskosten), nicht nur in die Margenkomponente. Darüber hinaus sollte die Integration von C&E-Faktoren in die Kreditbepreisung auch in Verbindung mit anderen bankweiten C&E-Initiativen erfolgen, wobei die Erwartungen der EZB und die einschlägigen Vorschriften zu berücksichtigen sind. In Anbetracht des damit verbundenen Aufwands beginnen einige Banken mit der Integration von C&E-Risiken in die Kreditbepreisung nur für ausgewählte Portfolios, mit dem Ziel, diese zu einem späteren Zeitpunkt auf weitere C&E-relevante Portfolios auszuweiten.
  3.  Stakeholder (interne Parteien) einbeziehen: Beziehen Sie alle relevanten Teams und Funktionen in die Planung und Umsetzung ein. Eine Schlüsselgruppe – einschließlich (Kredit-)Risikomanagement und -modellierung, Treasury, Recht, Finanzen und IT – muss den Rahmen für die Preisgestaltung und die dazugehörigen Kontrollen, Prozesse und Daten neu definieren. Die zweite Gruppe – Geschäftseinheiten und Kundenbetreuer – muss ihre täglichen Kreditpreisgestaltungsvorgänge ändern, um C&E-Risiken einzubeziehen. Ein gemeinsamer und ganzheitlicher Ansatz ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass die C&E-Risiken angemessen bewertet werden und gleichzeitig eine Doppelzählung vermieden wird.

Die korrekte Bepreisung von C&E-Risiken kann für Early Mover auf dem Markt enorme Chancen bieten, insbesondere im derzeitigen Umfeld sich entwickelnder Risikomanagementstandards und der höchsten Zinssätze seit mehr als einem Jahrzehnt. Darüber hinaus können sich die Banken durch eine angemessene Bepreisung von C&E-Risiken als verlässlicher Partner und Finanzberater für ihre Kunden auf ihrem Weg zu einem kohlenstoffarmen Übergang etablieren. Auf der anderen Seite werden die Nachzügler in der Zwischenzeit vergleichbare C&E-Risikogeschäfte zu unangemessenen Preisen übernehmen – aufgrund von adverser Selektion. Bei der Festlegung des Zeitplans für die Umsetzung ist es daher unerlässlich, die potenziellen weiterreichenden Auswirkungen für die Bank klar zu verstehen.

Quelle: KPMG Insights; maschinell übersetzt
Bild: appledesign via stock.adobe.com

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