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Im Land der offenen Fernen

Etwas mehr als 100 Kilometer nordöstlich der Rhein-Main-Region erstreckt sich die Rhön. Das Zentrum des Mittelgebirges ist seit rund 30 Jahren UNESCO-Biosphärenreservat und nunmehr auch Sternenpark. Attraktiv für Wanderer, Rad- und Motorradfahrer, Segel- und Gleitschirmflieger ebenso wie für Sternengucker.

Kaum ein anderes deutsches Mittelgebirge weist eine solche Vielfalt an Lebensräumen, an Kultur- und Naturlandschaften auf wie die Rhön: Eine Vielzahl an Bergen inmitten einer hügeligen Landschaft, Buchenwälder mit urtümlichen Baumriesen und bemoosten Stämmen, Basaltmeere und Basaltsäulen als Überbleibsel ihrer vulkanischen Vergangenheit, Moore, gespeist durch reiche Niederschläge, und nicht zuletzt weite Berg- und Mähwiesen, denen die Rhön ihren Charakter als „Land der offenen Fernen“ verdankt.

Die Rhön wandelt im Verlauf der Jahreszeiten ihr Gesicht: Im Frühjahr glänzen Blumenwiesen mit ihrer Farbenpracht. Im Sommer schaffen Weideröschen eine pinkfarbene Abwechslung zum Grün. Im Herbst sorgen buntes Laub und häufig Nebel für mystische Stimmung. In kalten Winter ist die Hochrhön mit Schnee bedeckt.

Symbole der Region sind die Silberdistel, die auf kargen Böden gedeiht, und das Rhönschaf mit einem schwarzen, schlanken Kopf, das sich leichtfüßig auch durch unwegsames Gelände bewegt.

Ein Paradies für Wanderer

So ist die Rhön ein Paradies für Wanderer, die auf ihren Touren freien Blick in die Ferne suchen. Ausgangspunkte sind das Gebiet auf der Langen Rhön zwischen Rotem und Schwarzem Moor, rund um die Wasserkuppe und den Pferdskopf, die Milseburg sowie in den „Schwarzen Bergen“. Das Netz der markierten Wanderwege umfasst Tourismusexperten zufolge etwa 6000 Kilometer.

Der „Hochrhöner“ führt als Fernwanderweg auf fast 140 Kilometern von Bad Kissingen nach Bad Salzungen. Wer es kürzer mag, entscheidet sich für eine der 30 verschiedenen „Extratouren“ im Umfeld des „Hochrhöners“. Das sind Rundwanderwege mit einer Länge von meist 10 bis 20 Kilometern – mit Start und Ziel jeweils an einem Wanderparkplatz.

Fahrradfahrer zieht es auf den 27 Kilometer langen Milseburgradweg, der auf der früheren Eisenbahnstrecke von Petersberg nach Hilders durch den 1172 Meter langen Milseburgtunnel führt. Der Radweg zählt zum hessischen Radfernweg R3 von Rüdesheim und Frankfurt nach Tann. Fahrer auf Motorrädern genießen die kurvigen Straßen der Hochrhön. Skifahrer aus dem Rhein-Main-Gebiet kamen früher im Winter mit dem Sonderzug. Bis 1987 gab es an schneereichen Wochenenden den „Rhönblitz“ unmittelbar von Frankfurt nach Gersfeld. Heute sind Wintersportler auf ihr Auto angewiesen. 

Etwa 6.000 Kilometer Wanderwege sind in der Rhön markiert
Etwa 6.000 Kilometer Wanderwege sind in der Rhön markiert.

Wiege des Segelflugs und Notquartier für Nofretete

Wer in der Rhön hoch hinaus möchte, muss auf die Wasserkuppe in 950 Metern Höhe fahren. Im Jahr 1910 begannen Studenten aus Darmstadt Flugversuche mit Segelflugzeugen. Das symbolträchtige Fliegerdenkmal mit dem Adler auf der Spitze erinnert an die Anfänge des Segelflugs. Manchmal ist sogar der Start eines Oldtimers unter den Segelflugzeugen zu beobachten. Wer nicht selbst fliegt, kann als Gast in einem Segel- oder Motorflieger die Rhön von oben betrachten.

Wer tief hinunter möchte, sollte im Erlebnisbergwerk Merkers eine spannende Reise in 800 Metern Tiefe antreten. In dem ehemaligen Kalibergwerk übernachtete bereits Nofretete inmitten von Goldbarren, waren doch dort im Zweiten Weltkrieg Werte der Reichsbank und Kunstschätze aus Berlin ausgelagert. Eine Kristallgrotte, die 1980 zufällig entdeckt wurde, ist mit Salzkristallen von einem Meter Länge einzigartiges Naturwunder.

Wer das Flair einer Kurstadt erleben möchte, sollte Bad Kissingen besuchen. Der Kurort – im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert von internationaler Bedeutung – zählt mit seinem historischen Kurviertel seit Ende Juli 2021 als ein „Great Spa of Europe“ zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Im Zentrum des Kalten Krieges

Seit keltischer Zeit ist die Rhön besiedelt und Kreuzungspunkt von Handelswegen zwischen Ost und West. Napoleon zog mit seinen Truppen auf dem Weg nach Russland durch die Rhön. Jahrhundertelange Rivalitäten weltlicher und geistlicher Herrscher wirken bis heute nach: Die Rhön ist aufgeteilt auf drei Bundesländer – Hessen, Bayern und Thüringen.

Bis 1989 lag die Rhön deshalb im Zentrum des Kalten Krieges. 250 Kilometer zog sich die Zonengrenze durch das Gebirge. Noch heute stehen vielerorts alte Wachtürme und Grenzzäune am heutigen „Grünen Band“. Am Point Alpha zwischen Rasdorf und Geisa standen sich US-Soldaten und DDR-Grenzschützer Auge in Auge gegenüber. Die Gedenkstätte mit Museum und US-Baracken ist so bedeutend, dass zur Verleihung des ersten Point-Alpha-Preises die Staatsmänner George H.W. Bush, Michail Gorbatschow und Helmut Kohl im Juni 2005 persönlich in die Rhön kamen.

Die ehemalige Zonengrenze mit Wachtturm und Grenzzaun am Point Alpha,
Die ehemalige Zonengrenze mit Wachturm und Grenzzaun am Point Alpha.

Nachts in der Rhön

Wer abends bleibt, sollte bei klarem Himmel den Blick zu den Planeten und in die Milchstraße wagen. Als Gebiet mit einer schützenswerten und natürlichen Nachtlandschaft hat die International Dark Sky Association die Rhön als Internationaler Sternenpark anerkannt.

Mehr Informationen und weiterführende Links zur Rhön hier.

Text und Fotos: Dr. Wolfgang Gerhardt.

 

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