Europaministerin Lucia Puttrich, Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und Finanzminister Michael Boddenberg haben am 27. Oktober 2020 mit hochrangigen Vertretern des Finanzplatzes Frankfurt über die Auswirkungen des Brexit gesprochen. Am Austausch nahmen u.a. Vertreter nationaler und internationaler Institute, der Deutschen Börse, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin sowie der Deutschen Bundesbank, der FinTech Community Frankfurt, des Sparkassen-Giroverbands Hessen-Thüringen, der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance und des Verbands der Auslandsbanken teil.
Historische Herausforderung
Seit März laufen die Verhandlungen der künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Nach neun offiziellen Verhandlungsrunden bleiben aktuell nur noch wenige Tage, um zu einer Einigung zu kommen. Die anhaltende Unsicherheit, ob und zu welchen Konditionen dies gelingt, hat schon jetzt spürbare Auswirkungen auf den europäischen Finanzmarkt und seine Akteure. Was das im Tagesgeschäft konkret bedeutet, welche Vorbereitungen für die unterschiedlichen Szenarien zu treffen sind und wie nachhaltig der Brexit auch die kommenden Monate prägen wird, all das waren Fragen, die im Rahmen des Austauschs der Landesregierung mit Vertretern des Finanzplatzes heute in Wiesbaden erörtert wurden.
“Der Finanzplatz London wird auch nach einem harten Brexit ein enorm wichtiger Partner für Kontinentaleuropa und damit auch für Frankfurt bleiben. Wir sollten deshalb weiter an guten Beziehungen mit London arbeiten. Dazu gehört nicht nur eine gute Stimmung, sondern auch die richtigen Rahmenbedingungen. Gemeinsam stehen wir nicht in einem europäischen Wettbewerb gegeneinander, sondern in einem weltweiten Konkurrenzkampf. Hierbei müssen wir auch in Zukunft auf europäische Stärken setzen“, hob Europaministerin Lucia Puttrich hervor.
Europaministerin Lucia Puttrich: Der Finanzplatz braucht nicht nur viele Talente aus der ganzen Welt, sondern auch Rahmenbedingungen, die ein Wachstum ermöglichen. Wir müssen weiter an einer europäischen Kapitalmarkt- und Bankenunion arbeiten und damit auch Frankfurt attraktiver machen. Der Wettbewerb um eine globale Spitzenposition im Finanzmarktbereich hat gerade erst begonnen.
Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir sagte: „Hessen und der Finanzplatz Frankfurt im Vergleich zu anderen europäischen Standorten deutlich besser durch die Krise gekommen. Das liegt auch an der strategischen Ausrichtung: Neben dem Ausbau der FinTech-Aktivitäten treibt Hessen das Thema Künstliche Intelligenz voran, ob mit dem KI-Zentrum Hessen oder dem Financial Big Data Cluster. Zudem hat der Finanzplatz Frankfurt auf dem Weg zum führenden Sustainable Finance Standort durch die erste Klima-Selbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors einen kräftigen Schub erhalten.”
Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir: Der Brexit, so sehr wir ihn bedauern, hat den Finanzplatz Frankfurt gestärkt. 64 Banken und Finanzdienstleister haben Erlaubnis- oder Änderungsanträge bei der BaFin gestellt, um ihre Präsenz in Deutschland auf- oder auszubauen. Das zeigt, wie attraktiv vor allem der Finanzplatz Frankfurt ist.
Finanzminister Michael Boddenberg: Wenn Frankfurt auch in Zukunft zu den führenden Finanzplätzen weltweit zählen soll, dürfen Politik, Aufseher und Marktteilnehmer hierzulande die Entwicklung in London nicht aus dem Blick verlieren. Nicht, um in eine Deregulierungsspirale zu geraten, sondern um innovative Entwicklungen zu erkennen und voranzubringen.
Herausragende Stellung Frankfurts
Rund 60 Lizenzanträge seien bisher gestellt worden. Das unterstreiche die herausragende Stellung Frankfurts im europäischen Gefüge und die attraktive Infrastruktur vor Ort. Die Minister betonten in ihren Ausführungen aber auch, dass man sich auf diesem Zwischenerfolg nicht ausruhen wolle, sondern weitere wichtige Initiativen vorantreiben werde.
Der Handel mit Finanzdienstleistungen wird in den Verhandlungen der künftigen Beziehungen nicht als Teil eines Freihandelsabkommens verhandelt. Vielmehr haben sich die Verhandlungspartner in der politischen Erklärung des Austrittsabkommens mit einer Bemühensklausel politisch verpflichtet, Äquivalenzentscheidungen zu treffen. Damit die Firmen ihre europäischen Kunden künftig wie gewohnt bedienen können, muss die EU-Kommission zuerst das britische Regelwerk für äquivalent erklären. Betroffen sind nicht nur die britischen Banken und Brokerhäuser, sondern auch europäische Unternehmen, die ihren Kapitalbedarf in London decken. Seitens der EU sind danach insgesamt 40 Äquivalenzentscheidungen vorzubereiten und zu treffen. Die Entscheidungen darüber stehen derzeit aus.
Die vollständige Pressemitteilung finden Sie auf der Website der Hessischen Landesregierung.
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